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Karen Webb: „Diversität war ein Trend“

Foto: (c) K. Webb

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Frau Webb, theinder.net feiert 25-jähriges Bestehen als Plattform für deutsch-indische Perspektiven. Welche Rolle spielen Ihre indischen Wurzeln in Ihrer Identität?

Mein Vater wurde in Indien geboren und ist in einer großen anglo-Indischen Familie aufgewachsen, daher habe ich sehr viel Verwandtschaft. Ältere Generationen leben noch in Indien, der Rest ist ausgewandert und heute in Australien und England zuhause. Wir haben sehr engen Kontakt und ich fühle mich den Menschen sehr verbunden.

Sie stehen für eine moderne, offene Gesellschaft. Inwiefern empfinden Sie Ihren kulturellen Hintergrund als Bereicherung – sowohl persönlich als auch beruflich?

In meiner Kindheit haben wir in London gelebt, in einem Haus mit vielen Generationen und Verwandten unter einem Dach. Die älteste Schwester meines Vaters hat für alle gekocht und wir saßen jeden Abend um einen großen Esstisch herum. Da war immer was los und ein schönes Zusammengehörigkeitsgefühl. Bis heute hat sich das nicht geändert. Ich bin so dankbar, dass wir so engen Kontakt haben, obwohl wir ja längst nicht mehr in London leben. Familie hat dort einen anderen Stellenwert als in Deutschland.

Wie erleben Sie Diversität im deutschen Fernsehen – und was hat sich aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren verändert? Die gleiche Frage auch für Diversität in unserer Gesellschaft.

Tatsächlich schaue ich wenig klassisches Fernsehen. Aus meiner Sicht wurde Diversität zum Teil künstlich erzwungen, zum Beispiel wurden ModeratorInnen mit Migrationshintergrund eingestellt, damit man sagen kann: schaut mal, wie divers wir sind. Oder Diversität war ein Trend: Heidi Klum wählte eine Übergewichtige zum Top-Model.

Sie bekamen mit 17 ein Stipendium für die USA und studierten später Politikwissenschaft und Soziologie parallel zu Ihrer Moderationstätigkeit – ein anspruchsvoller Spagat! Wie hat Sie diese intensive akademische Laufbahn geprägt – und welchen Nutzen ziehen Sie bis heute daraus?

In den USA habe ich mein Senior Year an einer High School gemacht. Eine tolle Erfahrung, die mich bis heute prägt. Ich habe gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen, seine Träume zu leben, optimistisch durchs Leben zu geben- und dass sich Fleiß auszahlt. Daher war es für mich nicht schwer, neben der Arbeit zu studieren. Außerdem hatte ich, als ich den Bachelor in Politikwissenschaften gemacht haben, noch keine Kinder und mehr Zeit. Einen Nutzen ziehe ich daraus nicht, ich habe das nur für mich getan. Ich war Moderatorin eines People-Magazins und brauchte noch eine Herausforderung für meinen Kopf.

Nach mehr als 25 Jahren endete „Leute heute“ im September 2023. Wie haben Sie diesen Moment erlebt – und welchen Weg haben Sie danach eingeschlagen?

Leute Heute wurde trotz des großen Erfolgs abgeschafft. Und für allen freien MitarbeiterInnen hieß: Tschüss, hier ist die Tür. Etwas, das man von einem öffentlich-rechtlichen „Familien-Sender“ nicht erwarten würde.

Im Nachhinein waren es für mich das Beste, dass mir passierten konnte. Ich habe in den 16 Jahren, in denen ich die Sendung moderiert habe, die schönsten Events mitgenommen, alle Königshochzeiten moderiert (und bei denen von Charles, William und Harry hatte ich gleich die Chance meine Familie in London zu besuchen), jedes Jahr Karl Lagerfeld in Paris getroffen und auf dem Oscar-Teppich in LA Interviews mit Hollywood-Stars geführt. Die Reisen, und ich liebe es zu reisen, wurde in der Pandemie eingestellt und danach auch nicht wieder eingeführt. Mein Chef sah sich schon in Rente, alles wurde etwas liebloser. Daher denke ich: Es war gut so, alles hat seine Zeit.

Was machen Sie heute?

Jetzt gebe ich meine Expertise als Moderatorin weiter. Das konnte ich durch die tägliche Live-Sendung vorher nur bedingt. Ich arbeite als Medien- und Präsentationstrainerin und unterstütze Menschen, die in der Öffentlichkeit sprechen, wie sie ihre Kernbotschaften platzieren, die Aufmerksamkeit des Publikums halten, souverän und selbstbewusst auftreten, usw. Ich trainiere Vorstände und CEOs, aber auch Privatpersonen, die ein Yoga-Studio eröffnen wollen, oder ein Restaurant. Ich arbeite auch gezielt mit Frauen, für mehr Sichtbarkeit und kann alle meinen Erfahrungen aus Fernsehen und Event-Moderationen – als auch als Dozentin an der Uni München – einfließen lassen. Ich bin mein eigener Boss. Mehr Freiheit geht nicht.

Auch wenn es schon über zehn Jahre her ist, Sie haben damals das Kochbuch „Heute gibt’s indisch!“ veröffentlicht – eine Sammlung Ihrer Lieblingsrezepte aus ihrer Familie. Was war der Auslöser, genau diese Rezepte in Buchform festzuhalten – und haben Sie sich dabei für eher traditionelle oder moderne Varianten entschieden? Und wie haben Sie es geschafft, all die Rezepte von ihren Familienmitgliedern zu sammeln – wird da nicht auch mehr nach Gefühl und weniger mit Mengenangaben gekocht? Haben Sie es auch erlebt, dass jede Köchin/koch eine eigene Gewürzmischung hat?

Ich bin regelmäßig in England, vor allem in London und meine Familie kocht nach wie vor indisches Essen. Nicht die Jüngeren, aber meine Cousins und Cousinen. Und ich wäre enttäuscht, wenn es da mal Pasta geben würde, denn indisches Curry ist mit ihnen mehr als eine Mahlzeit. Das ist Tradition, das ist Familie, das ist Zusammengehörigkeit.
Meine Mutter in Deutschland hat auch oft für Gäste indisch gekocht und jeder liebte es. Daher kam ich auf die Idee, die besten Rezepte zu veröffentlichen. Ich habe meine ganze Familie von Australien über Indien bis England angeschrieben, damals per facebook und Email, und sie gebeten, mir ihre Lieblingsessen zu schicken – mit Mengenangaben. Unglaublich, wie viele Rezepte ich bekommen habe. Zusammen mit meiner Mutter habe ich dann in München alles nachgekocht und teilweise etwas abgewandelt, die Mengenangaben überprüft und so ist dieses Kochbuch entstanden. Früher als ich ein Kind war, sind wir immer mit dem Auto nach England und haben für den Rückweg den Kofferraum mit indischen Gewürzen gefüllt, weil es hier kein Garam Masala oder Mango-Pulver gab. Heute ist das zum Glück anders. In München bekam ich tatsächlich alles, was ich zum nachkochen brauchte.

Erzählen Sie uns zum Abschluss doch ein wenig über ihre nächsten Projekte und was Ihnen ansonsten am Herzen liegt.

Ich erweitere gerade meine Trainingsangebote, so dass Menschen die Chance haben, online mit mir zeitlich flexibel zu arbeiten. Mir macht mein Beruf einfach wahnsinnig viel Spaß. Ansonsten darf alles so bleiben wie es ist. Ich bin dankbar für meine wundervollen Kinder, mein schönes Zuhause, meine lieben FreundInnen und die Freiheiten, die ich habe.

Herzlichen Dank.


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