„Dhurandhar“ ist kein Film für Unentschlossene. Er kennt nur eine Richtung: vorwärts. Laut. Unerbittlich. Dreieinhalb Stunden lang. Aditya Dhar, der nach Uri endgültig zum Hausregisseur des patriotischen Muskelkinos aufgestiegen ist, liefert hier keinen Thriller, sondern eine Kampfansage – ästhetisch geschniegelt, ideologisch verkrampft.
Ranveer Singh spielt Hamza Ali, einen indischen Undercover-Agenten, der sich jahrelang in Karachis berüchtigtem Stadtteil Lyari einnistet. Offiziell ist das ein Spionagefilm. Inoffiziell ein Gangster-Epos. Und unterschwellig ein politisches Statement, das keine Rückfragen duldet. Zweifel? Fehlanzeige. Ambivalenz? Störend. Menschlichkeit? Nur, wenn sie sich national aufladen lässt.
Handwerklich ist „Dhurandhar“ beeindruckend. Die Kamera ist nervös, nah, aggressiv. Gewalt wird nicht nur gezeigt, sondern choreografiert, vertont, zelebriert. Blut spritzt im Takt der Musik, Fäuste fliegen in Zeitlupe, Körper krachen mit Bedeutung auf Beton. Dhar liebt diese Bilder – und traut ihnen mehr zu als seinen Figuren. Ein Fehler.
Denn Hamza bleibt über weite Strecken eine Leerstelle. Singh ist physisch präsent, kontrolliert, diszipliniert – aber emotional versiegelt. Wir erfahren fast nichts über ihn, außer dass er leidet. Nicht als Mensch, sondern als Nation. Seine Erinnerungen bestehen aus Archivmaterial: Kandahar, Parlament, 26/11. Keine Gesichter, keine Beziehungen. Trauma als Montage.
Problematisch wird der Film dort, wo er reale Geschichte in seine Fiktion einbaut – und sich dabei die Rosinen herauspickt. Original-Tonaufnahmen, Nachrichtenbilder, Texteinblendungen mit Authentizitätsanspruch: Das soll Wucht erzeugen. Tut es auch. Aber es ersetzt Argumente durch Autorität. Kritik wird so elegant abgewehrt: Wenn es passt, ist es „real“. Wenn nicht, eben „Fiktion“. Bequem ist das. Mutig nicht.
Noch deutlicher wird Dhars Agenda in der Darstellung Pakistans. Karachi erscheint als moralisch verwahrloster Dauerkrisenraum, bevölkert von brutalen, korrupten, grotesk überzeichneten Männern. Frauen sind Beiwerk: stumm, begehrenswert oder schnell tot. Eine 19-Jährige wird zum romantischen Kollateralschaden, eine Polizistin zur statistischen Randnotiz. Differenzierung findet höchstens im Kostümdesign statt.
Dabei blitzt immer wieder auf, was dieser Film hätte sein können. Akshaye Khanna als Gangster Rahman Dakait ist charismatisch, widersprüchlich, fast sympathisch. Die Dynamik zwischen ihm und Singh trägt den Film über lange Strecken. Doch sobald emotionale Grauzonen entstehen könnten, zieht das Drehbuch die Notbremse. Schuld, Loyalität, Verrat – all das würde das klare Freund-Feind-Schema gefährden. Also wird es glattgebügelt.
Die Kapitelstruktur mit ihren bedeutungsschweren Titeln wirkt wie literarische Kosmetik. Sie markieren Zeit, nicht Entwicklung. Dass der Film nach 214 Minuten abrupt endet, verstärkt den Eindruck eines überdehnten Prologs, der sich für gewichtiger hält, als er ist. Teil eins als Machtdemonstration.
„Dhurandhar“ ist kein plumper Film. Aber er ist ein unbeweglicher. Er will nicht fragen, sondern festlegen. Nicht irritieren, sondern bestätigen. Wer nach Kino sucht, das sich mit Komplexität anlegt, wird hier nicht fündig. Wer hingegen Lust auf nationale Selbstvergewisserung in Hochglanzoptik hat, kommt auf seine Kosten.
Am Ende bleibt weniger Empörung als Erschöpfung. Nicht wegen der Gewalt. Sondern wegen der Gedankenlosigkeit dahinter. „Dhurandhar“ baut keine Brücken, er vertieft Gräben. Mit viel Geld, viel Lärm – und erstaunlich wenig Neugier.
