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India Antony: „Der Weg als Frau ist nie einfach gewesen“

Foto: (c) I. Antony

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Du wurdest in Kerala geboren und kamst als Baby nach Deutschland. Wie war es für dich, in einer südindischen Familie in Deutschland aufzuwachsen?

Es war spannend für mich. Ich habe sowohl die südindische Community hautnah miterlebt in Düsseldorf und Köln, die Werte, Gebräuche und christlichen Feste als auch die deutsche Community, die mich stark begleitet und geprägt hat. Wir waren regelmäßig in Indien und ich habe meine Großeltern, Verwandte aber auch das Leben in Indien kennenlernen dürfen.
Ich habe die Zeit in Indien geliebt. Die Verbindung zur Natur: meine Großeltern hatten Reisfelder, Kokospalmen, Mangobäume. Ich habe eigenhändig Cashewnüsse gepflückt und meine Oma hat sie in der Pfanne geröstet. Die Zeit mit Tieren: wir hatten einen Hund, Ziegen, Hasen, Hühner, eine Katze… das war einfach schön. Meine Patenoma Rosa, von der ich meinen Namen habe, habe ich sehr geliebt.

Welche prägenden Erinnerungen verbindest du mit deiner Herkunft?

Mir wurde schon als kleines Kind mit etwa sieben Jahren bewusst, dass es zwei Welten gibt. Die Welt, etwa wenn ich in Mumbai am Flughafen ausstieg, war keine heile Welt mehr. Da waren ganz viele Straßenkinder und mir wurde bewusst, dass ich einfach Glück gehabt habe, denn ich hätte auch als eines dieser Straßenkinder auf die Welt kommen können.
Das hat mich tief berührt und bewegt und ich habe dadurch sehr früh den Drang verspürt anderen Menschen, Benachteiligten zu helfen. Gleichzeitig wurde mir in Deutschland irgendwann klar, dass Indien einen inneren Reichtum, eine Fülle hat, die aus der Kraft des Herzens und der Anbindung zum Göttlichen kommt, welcher in der westlichen Welt oft fehlt. Beide Welten sind wichtig!

Was haben Dir Deine Eltern mit auf den Weg gegeben?

Meine Eltern haben mir Werte mitgegeben, eine Offenheit, den Glauben an Gott, das Gute. Dieser tief verwurzelte Glaube hat meine Kindheit und Jugend geprägt und war mir ein unermesslicher Schatz in den darauffolgenden Jahren. Zudem hatte ich immer das Gefühl, ich kann alles erreichen, was ich will. Ich wurde stark gefördert: Musik, Tanz, Sport.
Ich war lange auf der Suche nach meiner eigenen Identität, da ich gefühlt zwischen zwei Welten aufgewachsen bin, aber eine ganzen starken Drang verspürt habe, meine Wahrheit zu entdecken, zu leben und zu verkörpern, egal was die Menschen um mich herum machten. Die Suche war nicht immer einfach, denn ich hatte oft das Gefühl, ich passte nicht in dieses Modell von Leben, welches ich viele Menschen in meinem Umkreis einfach übernehmen sah. Ich war neugierig und entschied sehr früh, mit 19 auf eigenen Beinen zu stehen und auszuziehen.

Und dann began meine Reise in die Welt, um zu erfahren, wie ich diese Welt erfahre und wahrnehme. Dazu habe ich auch mal einen Text geschrieben, der in einem Gedichteband veröffentlicht wurde und bald in einem anderen Gedichteband erscheinen wird. „Home is where my heart is“.

Dein Weg führte dich von der Sozialpädagogik zur Schauspielerei…

… das stimmt nicht ganz. Ich war schon vor meinem Sozialpädagogikstudium mit Anfang 20 an einer Schauspielschule, weil mich die Schauspielerei fasziniert hat. Ich stand mit fünf Jahren das erste Mal auf der Bühne und sang indische Lieder, die mir mein Vater über Musikkassetten beigebracht hat, mir und meinem Bruder. Mit 9 Jahren hab ich das erste Mal Theater gespielt und ich war auch in einer Theater AG auf dem Gymnasium. Ich habe aber dann aber bald entschieden, dass doch erst studieren möchte nach einiger Zeit des Reisens und der Selbstfindung. Die soziale Arbeit hat mich ja begleitet, seitdem ich 17 Jahre alt war und meinen ersten Nebenjob im Altenheim hatte.

Gab es einen bestimmten Moment, in dem du gespürt hast: „Das ist mein Weg – ich will vor die Kamera, auf die Bühne“?

Ja, irgendwann nach 10 Jahren, in denen ich gefühlt andere Menschen im Fokus meiner Arbeit hatte und unter anderem auch in Italien mit Menschen mit psychischen Auffälligkeiten gearbeitet habe, kam der Moment, wo mein „Ich“ und mein Körper müde waren. Ich hatte dafür gebrannt. Aber die Akkus waren gefühlt leer. So bin ich zurück nach Deutschland, habe mir eine Auszeit genommen und während dieser Auszeit gab es einen Moment, da hatte ich eine kleine Rolle als Tänzerin in einem Kinofilm. Alle anderen haben sich immer beschwert: lange Arbeitszeit am Set. Aber ich war so glücklich, weil ich gespürt habe, wow, das wolltest du doch immer machen! Von da an haben sich immer weiter Türen für mich geöffnet. Wie durch ein Wunder. Türen, die eigentlich hätten zu sein sollen, aber die aufgingen, weil ich gemerkt habe, dass ich für die Schauspielerei brenne und Gott anscheinend wollte, dass ich diesen Weg gehe.

Du hast in vielen bekannten Fernsehserien mitgewirkt, von „In aller Freundschaft“ bis „Sturm der Liebe“. Wie hast du die deutsche Film- und Fernsehlandschaft erlebt – gerade als Schauspielerin mit indischem Hintergrund?

Die Menschen am Set waren freundlich zu mir, aber es war schon öfters komisch festzustellen, dass ich die einzige mit einer anderen Hautfarbe war oder aus einem anderen Land. Das fühlte sich manchmal etwas befremdlich an. Ich habe das Gefühl , dass die deutsche Filmlandschaft da auf einem guten Weg ist mit mehr Diversität, aber als Frau mit indischen Wurzeln, bin ich mir sicher, dass sicherlich oft Menschen, die deutsch waren und auch so aussehen, beim Casting bevorzugt wurden und werden. Ich habe noch nie eine oder einen Malayalee Schauspielerin oder Schauspieler am Set getroffen und vor kurzem zum ersten Mal eine Inderin als wir einen Hindifilm drehten. Das zeigt wie wenig vertreten wir noch in der deutschen Filmlandschaft sind.

Wurdest du im Laufe deiner Karriere oft auf bestimmte Rollenbilder reduziert – z. B. als „Exotin“ oder Nebenfigur mit Klischeehintergrund?

Ich habe immer nur das gespielt, was ich spielen wollte. Bewusste Klischees hab ich selten angeboten bekommen. Und wenn ich zum Beispiel jemanden spielen sollte – das war einmal der Fall – eine Frau mit indischen Wurzeln, die schlecht Deutsch spricht, habe ich durchgesetzt, dass sie gut deutsch spricht! Ich hatte die Möglichkeit eine große Palette an vielen unterschiedlichen Rollen zu spielen, aber ja – im Bezug auf die Sichtbarkeit von indischstämmigen Schauspieler/innen im Fernsehen ist es noch ein weiter Weg, gerade in Bezug auf Hauptrollen.

Und trotzdem tut sich irgend etwas?

Es tut sich aktuell etwas, ja, aber es kann sich noch viel mehr tun. Amerika ist und war da immer viel schneller und offener, was die Diversität betrifft. Mutiger. Die Deutschen sind da vorsichtiger, sicherheitsdenkender, langsamer, was manchmal echt schade ist.

… und gibt es Rollen, die du besonders gern oder auch bewusst nicht (mehr) spielen möchtest?

Es gibt und gab Rollen, die ich bewusst abgelehnt habe, deren Drehbuch mich zum Beispiel nicht angesprochen haben, und die ich bewusst nicht gespielt habe. Es gab mal eine Anfrage aus New York von einer indischen Regisseurin: die Geschichte und die Nacktszenen haben mich nicht angesprochen, ich wollte das nicht.

Wie sehr spielen Aussehen, Name oder Herkunft bei Castings immer noch eine Rolle?

Aussehen spielt eine Rolle. Die Arbeit an mir und meinem Körper stand immer im Vordergrund. Und ja, es darf sich noch viel mehr tun in puncto Diversität. Mittlerweile bin ich aber an einem Punkt angelangt, an dem ich mich wohl fühle in meinem Körper und ihn so annehme wie er ist.

Was viele nicht wissen ist, dass Du Anfang der 2000er die Partyreihe „Soul of India“ in Düsseldorf mitbegründet hast. Das ist ein Format, das vielen in der deutsch-malayalischen Jugend bis heute gut in Erinnerung geblieben ist. Was hat dich damals dazu bewegt – und was ist in den Folgejahren daraus entstanden?

Die „Soul of India“-Partyreihe ist damals relativ spontan entstanden. Wir, das heißt meine damalige beste Freundin Joyce, mein Cousin und eine weitere Freundin haben uns in der Düsseldorfer Community öfters getroffen und hatten die Idee. Ich fand es gut, Menschen mit meinem Hintergrund zu versammeln. Ich habe es immer geliebt zu tanzen und auf Parties zu gehen, warum also nicht eine eigene kreieren? Ich war und bin immer gerne Schöpferin gewesen, der Name „Soul of India“ war meine Idee. „Der Seele folgen“ – und statt sich alleine zu fühlen, als Inderin in Deutschland Menschen mit gleichem Background zu versammeln.

Wir hatten nicht mit dem Erfolg gerechnet. Aber es war schön zu spüren, welchen Zustrom es gab und wieviele Menschen zu den Parties und Nachfolgeparties kamen. Irgendwann aber gab es gefühlt immer mehr solcher Parties und wir haben sie dann zeitlich nicht mehr geschafft weiterzuführen. Ich bin dann auch weggezogen aus Düsseldorf und der Umgebung.

Rassismus und strukturelle Ausgrenzung sind leider auch im Kulturbereich real. Gab es in deinem Berufsalltag Situationen, in denen du dich diskriminiert oder benachteiligt gefühlt hast?

Ja, die gab es einmal während meiner Zeit als Sozialpädagogin und manchmal auch ein Gefühl am Set, auch wenn es nicht ausgesprochen wurde. Und dann sicherlich auch als Frau. Denn machen wir uns nichts vor: Der Weg als Frau mit indischen Wurzeln ist nie einfach gewesen. Trotzdem muss ich aber sagen, dass ich nicht viel Rassismus erlebt habe.

Dennoch: die Male, in denen es passiert ist, wie bist du mit solchen Erfahrungen umgegangen?

Ich konnte, als ich ihn erlebt habe, gut damit umgehen: Aber unterschwelllig ist er doch da und nervt. Es fängt einfach auch mit so sinnlosen Bemerkungen an wie: „Sie sprechen aber gut Deutsch“ oder „Wo kommen Sie her?“. Das habe ich eher im Privatleben erlebt als beruflich. Wenn es mich nervt, sage ich oft „Ich komme vom Planeten Erde“ oder „aus dem Himmel“ und früher manchmal auch bewusst „aus Mettmann“.

Berühmt ist ja auch die Frage „Und, wollen Sie später mal wieder zurück in Ihre Heimat?“ – ich antworte dann „Bremen ist eine schöne Stadt, aber ich fühle mich in Hamburg ganz wohl“… aber lass mich dich zum Abschluss fragen: Was möchtest du jungen Menschen mitgeben, die wie du mit mehreren kulturellen Identitäten leben und vielleicht selbst den Weg in die Kunst oder Medien suchen?

Was ich mitgeben möchte ist folgendes: Sich selbst zu spüren und den eigenen Weg zu gehen, kann ein unglaublich starkes und befreiendes Gefühl zugleich sein, aber manchmal fühlt man sich auch alleine.

Sucht euch Menschen, die euch gut tun. Wenn man in die Kunst geht, gerade als Frau oder Mann mit indischen Wurzeln, fühlt man sich oft anders als der Rest. Dieses Gefühl hat mich mein Leben lang begleitet, aber jeder hat seinen eigenen Weg. Seid mutig, ihr habt nur das eine Leben. Man muss sich fragen: will ich mein Leben leben, um die Erwartungen von anderen zu erfüllen, oder will ich mich auf einen Weg machen, bei dem ich mich lebendig fühle, also wo ich spüre, dass es sich sich nach mir anfühlt?

Folgt der Freude – manchmal muss man nicht verstanden werden, aber wichtig ist, dass man selbst merkt, dass man auf dem eigenen Weg ist. Meine Eltern haben mich in meinem Wunsch Schauspielerin zu werden, unterstützt, aber auch weil sie früh begriffen haben, dass ich meinen eigenen Kopf habe und meinen Weg gehe. Und ich weiß, dass ich in diesem Leben noch immer weiter lernen, forschen und leben werde. Auch die Schauspielerin, die Sozialpädagogin und die Kosmopolitin sind nur ein Teil von mir, denn das nächste Abenteuer wartet bereits, um gelebt und erforscht zu werden. Dafür ist meine Seele da.

Ich bin nicht auf der Welt, um so zu sein, wie andere mich haben wollen. Das habe ich mir mit 13 Jahren auf meinen Kleiderschrank geschrieben und der Satz begleitet mich!

Seid euch treu, übernehmt Verantwortung für euer Leben, euer Glück und kämpft für das, was euch wichtig ist und dort, wo ihr Ungerechtigkeit seht.

Vielen Dank.


Link: https://www.filmmakers.eu/en/actors/india-antony

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