
Vom 17. bis 19. Juli 2025 fand in Berlin der Indo-German Healthcare Congress (IGHC) statt – eine Initiative des Indo-German Young Leaders Forum (IGYLF). Der dreitägige Kongress vereinte Fachkräfte aus Medizin, Pflege, Politik, Wissenschaft und Gesundheitswirtschaft beider Länder und verfolgte ein klares Ziel: die gemeinsame Entwicklung konkreter Ansätze für die drängendsten Herausforderungen der Gesundheitsversorgung – insbesondere im Bereich Fachkräftemangel, Digitalisierung, Systemresilienz und globale Zusammenarbeit.
Fachkräftemigration: Reguliert, qualifiziert, partnerschaftlich
Im Mittelpunkt des ersten Veranstaltungstages stand die Frage, wie Deutschland und Indien gemeinsam auf den steigenden Bedarf an Gesundheitsfachkräften reagieren können. In der Indischen Botschaft diskutierten Vertreter beider Länder über regulatorische Hürden, Qualitätssicherung und faire Rekrutierungsprozesse.
Thomas Heim (BMAS) und Henning Haab (BMG) skizzierten die bestehenden politischen Rahmenbedingungen und warben für kohärente Strategien zwischen Arbeits-, Gesundheits- und Bildungspolitik. RA Marc Schreiner (DKG) betonte die Dringlichkeit digital gestützter Anerkennungs- und Rekrutierungsprozesse. Der indische Unternehmer Avinav Nigam (TERN Group) stellte ein gebührenfreies Vermittlungsmodell vor, das Fachkräfte vor ausbeuterischen Strukturen schützt. Pia Türk (Charité) berichtete praxisnah über die Integrationsarbeit mit internationalen Pflegekräften im Klinikalltag.
Gefordert wurde eine beschleunigte Anerkennung indischer Abschlüsse, standardisierte Qualifizierungsprogramme sowie der Aufbau staatlich regulierter, transparenter Mobilitätsstrukturen. Das Ziel: langfristige, nachhaltige und faire Migration im Gesundheitswesen – im beidseitigen Interesse.
Innovation und KI: Vernetzte Systeme für zukunftsfähige Versorgung
Der zweite Tag in der Konrad-Adenauer-Stiftung widmete sich digitalen Transformationsprozessen im Gesundheitssektor. Prof. Dr. Günther Jonitz eröffnete mit einem Impuls zur Notwendigkeit systemischer Vernetzung bei gleichzeitiger Wahrung ethischer Grundsätze. Dr. Satya Prakash Dash verwies auf Indiens sogenannte „Bio-Renaissance“, die zunehmend international skalierbare Health-Tech-Innovationen hervorbringt.
Michael Huebner präsentierte konkrete Digitalisierungsansätze in deutschen Krankenhäusern, mit Fokus auf Schnittstellenoffenheit für Start-up-Kooperationen. Im Panel „AI in Healthcare“ diskutierten Dr. Mark Klemens, Dr. Angeli Möller und Dr. Ankit Singh – moderiert von Dr. Jubin Shah – die Potenziale und Grenzen von KI in Diagnostik und Versorgung. Der Tenor: klinische Validierung, Datenschutz und ethische Standards müssen integraler Bestandteil jeder technologischen Implementierung sein.
Dr. Julia Fitzner (WHO) verdeutlichte, wie agile Datenstrukturen in Public-Health-Krisen lebenswichtige Entscheidungen ermöglichen, während Melanie McElroy (Techniker Krankenkasse) die Rolle der Kostenträger bei der Skalierung digitaler Lösungen herausstellte.
Versorgungszugang, Frauengesundheit und Systemresilienz
Der dritte Tag auf dem Campus der Charité stellte Fragen der gerechten Versorgung und Systemresilienz in den Vordergrund. Dr. Paul Rostin zeigte, wie mehrsprachige, digitale Tools Patient:innen stärker in Behandlungsprozesse einbinden. Dr. Tina Ghelani moderierte eine Diskussion zur Frauengesundheit über den Lebensverlauf hinweg – mit besonderem Fokus auf hormonelle Veränderungen und mangelnde Versorgungsstrukturen.
Dr. Dorothea Portius präsentierte evidenzbasierte Strategien der Präzisionsernährung in der Menopausetherapie. Prof. Dr. Varsha Tanu plädierte für klimaresiliente Gesundheitssysteme, die vulnerable Bevölkerungsgruppen gezielt schützen. Dr. Tharshika Thavayogarajah betonte, dass Diversität in Führungspositionen messbar bessere Versorgungsergebnisse liefert – ein Aspekt, den beide Länder strukturell stärken wollen.
Ein thematischer Brückenschlag erfolgte mit der Diskussion um komplementärmedizinische Ansätze. Dr. Christian Garbe beleuchtete die Integration evidenzgestützter Ayurveda-Konzepte in die westliche Versorgung. Sanjay Srivastava (DSRRAU, Jodhpur) betonte Ayurveda als Teil einer resilienten öffentlichen Gesundheitsstrategie im postpandemischen Kontext.
Den Abschluss bildete Dr. Oliver Lester Saldanha mit einem Einblick in „Swarm Learning“ – einem kollaborativen Modell zur datengestützten Analyse mit hohem Datenschutzstandard. Damit wurde ein Beispiel geliefert, wie Technologie und Vertrauen in Einklang gebracht werden können.
Impulse für gemeinsame Lösungen
Der bilaterale Fachkongress war geprägt von lösungsorientierter Sachdebatte, konkreten Projektansätzen und Umsetzungsbereitschaft von beiden Seiten. Die Partnerschaft zwischen Indien und Deutschland zeigt sich als komplementär: während Deutschland strukturelle Kapazitäten und regulatorische Rahmen bietet, bringt Indien technologische Innovationskraft und eine wachsende Zahl gut ausgebildeter Gesundheitsfachkräfte ein.
Künftig sind sektorübergreifende Plattformen notwendig, um gemeinsam Pilotprojekte zu initiieren, regulatorische Prozesse zu vereinfachen und digitale Infrastrukturen beidseitig anschlussfähig zu machen. Der IGHC 2025 hat dafür zentrale Impulse gesetzt, bei Lippenbekenntnissen darf es selbstredend nicht bleiben.