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Di., 7. Oktober, 2025
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StartSonderteile25 Jahre theinder.netBobby Cherian: "Lassen uns nicht einschüchtern"

Bobby Cherian: „Lassen uns nicht einschüchtern“

Foto: (c) ZDF

Bobby, Du bist nun schon länger beim ZDF aktiv, unter anderem als Moderator der Sendung heute in Europa“ und seit Kurzem in der Intendanz. Wie haben sich Deine Aufgaben im Laufe Deiner Karriere entwickelt, und welche Herausforderungen und Chancen siehst Du in Deiner aktuellen Rolle?

Ich konnte und durfte im Laufe der Zeit viele verschiedene spannende Aufgaben beim ZDF wahrnehmen. Zuerst war ich Reporter in der Hauptredaktion „Aktuelles“. Später dann als Reporter im Landesstudio Rheinland-Pfalz war ich u.a. unmittelbar nach der Flutkatastrophe im Ahrtal für das ZDF vor Ort. Auch die Entwicklung des Corona-Impfstoffs durch Biontech in Mainz fiel in meine Landesstudio-Zeit. Danach war ich drei Jahre lang als Chef vom Dienst und Schlussredakteur in der Hauptredaktion Politik und Zeitgeschehen verantwortlich für ZDFspezial-Sendungen sowie Sonderformate wie z.B. „Wie geht’s, Deutschland?“ Zusätzlich habe ich im Wechsel mit zwei anderen Kolleg*innen „heute in Europa“ moderiert. In meiner aktuellen Funktion als Referent unterstütze ich den Intendanten des ZDF bei seinen vielfältigen Aufgaben. Hier geht es unter anderem um den Blick auf unser breit gefächertes Programm, die Arbeit mit unseren Gremien, strategische Unternehmensfragen sowie die Unterstützung bei repräsentativen Aufgaben. Ich musste hier in viele neue Abläufe und Tätigkeitsfelder hineinfinden. Das war und ist anspruchsvoll, weil sich die Arbeit deutlich vom klassischen Nachrichtengeschäft, das ich ganz gut kenne, unterscheidet. Allerdings bietet die Arbeit in der Intendanz eine besondere Sicht auf und in das Unternehmen; ich glaube, das gibt es so nirgendwo sonst im Haus.

Als Moderator eines Europamagazins standest Du im Zentrum der Berichterstattung über europäische Themen. Wie ist es Dir gelungen, komplexe Sachverhalte verständlich zu vermitteln und gleichzeitig die Vielfalt Europas abzubilden?

Wenn das Dein Feedback zu „heute in Europa“ ist, sage ich erst mal „Vielen Dank“ und reiche das Lob direkt weiter. So eine Sendung ist immer Teamarbeit. Und das Team von „heute in Europa“ ist sehr engagiert und immer mit Herzblut bei der Sache. Eine wichtige Rolle spielen auch die ZDF-Studios, die auf wichtige Themen hinweisen und diese dann umsetzen. Einige Inhalte drängen sich aufgrund ihrer Aktualität oder ihrer Tragweite auf; die müssen in die Sendung. Bei anderen kann die Redaktion eigene Akzente setzen, um die Vielfalt Europas abzubilden. Wichtig bei der von Euch angesprochenen Vermittlung komplexer Sachverhalte ist es, den Menschen in Deutschland immer wieder zu erklären, was die Europa-Themen mit ihrem Leben und mit ihrem Alltag zu tun haben. In der Moderation geht es oft darum, dem Publikum deutlich zu machen: „Was jetzt kommt, ist wichtig für Euch, weil…“ Ich habe immer versucht, das jeweilige Thema so einfach und lebensnah wie möglich runter zu brechen, damit alle etwas damit anfangen können.

Deine Eltern stammen aus dem indischen Kerala und Du bist gebürtiger Rheinländer. Welche Herausforderungen haben Deine Eltern bei ihrer Ankunft in Deutschland erlebt, und wie haben diese Erfahrungen Deine eigene Identität und Deinen Werdegang beeinflusst?

Für eine adäquate Beantwortung der Fragen zur Familienhistorie reicht der Platz hier sicher nicht. Kurzfassung: meine Eltern mussten mit der Sprachbarriere, der Nicht-Anerkennung von Abschlüssen und den großen kulturellen Unterschieden klarkommen. Dieses „Zwischen den Kulturen“ hat mich in meiner Jugend stark geprägt. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Suche nach einem Zugehörigkeitsgefühl. Und auch daran, dass das Pendel vor allem in den Teenager-Jahren mal sehr stark in Richtung Deutschsein und dann wieder Richtung Indisch-Sein schwang. Es hat dann bis in meine 20er-Jahre gedauert, bis ich mich halbwegs austariert hatte. Zu meinem Werdegang: ich glaube, diese Unsicherheit, die meine Eltern sehr lange in Deutschland gespürt haben, habe ich selbst eine Zeit lang im Job mit mir rumgetragen: kann man als Arbeiterkind, dessen eingewanderte Eltern durchaus großen Wert auf Bildung, Bücher, etc. gelegt haben, auf dem gleichen Level „mitspielen“ wie weiße Akademiker-Kinder? Damit musste ich lernen umzugehen.

Hätte es Dich einmal gereizt, als Auslandskorrespondent in Indien zu arbeiten?

Als Auslandskorrespondent in Indien habe ich mich nie gesehen, wenn überhaupt, dann nur projektbezogen. Mir ist es viel wichtiger, dass Menschen mit Migrationshintergrund in der inländischen Medienlandschaft mitwirken und sichtbar sind. Obwohl mittlerweile jeder vierte Mensch in Deutschland eine Einwanderungsgeschichte hat, sind diese Personen und ihre Perspektiven in vielen Bereichen (so auch in der Politik) unterrepräsentiert. Wir brauchen diese Perspektiven aber, wenn wir Deutschland – so wie es ist – adäquat in unseren Programmen abbilden wollen.

In Deiner Rolle als Journalist: Wie nimmst Du die Entwicklung der Integration von Zuwanderern in Deutschland wahr, insbesondere im Hinblick auf die zweite und dritte Generation von Einwanderern?

Zur fundierten Beantwortung der ersten Frage fehlt mir der nötige Einblick in die Integrationsarbeit. Wichtig ist hier auch die Unterscheidung: sprechen wir vom Integrationswillen der Zuwanderer oder dem der deutschen Bevölkerung? Da gibt es sicher ein breites Spektrum auf beiden Seiten. Was die zweite Generation betrifft: viele von uns – ich zähle mich dazu – sehen sich als unverrückbarer Teil der deutschen Gesellschaft. Deutschland ist unsere Heimat; das ist ein klares Bekenntnis. Gleichzeitig hadern wir, weil sich die Gesellschaft immer wieder schwer tut, sich genauso deutlich zu uns zu bekennen. Diese Lücke wurde bisher nicht entschieden genug geschlossen, so mein Eindruck. Das trennt Teile der Bevölkerung voneinander. Bei der dritten Generation wiederum beobachte ich eine noch größere Selbstverständlichkeit des Deutsch-Seins und eine Menge Selbstbewusstsein. Die Frage nach Integration stellt sich hier nicht. Da hinterfragt man sich weniger, Rechte werden artikuliert und eingefordert. Das finde ich gut.

Welche Verantwortung tragen öffentlich-rechtliche Medien wie das ZDF in Zeiten von Fake News und Künstlicher Intelligenz, um verlässliche Informationen bereitzustellen? Wie begegnest Du persönlich diesen Herausforderungen, auch etwa bei der eigenen Recherche?

Die Aufgabe des ZDF – und aller anderen öffentlich-rechtlichen Medien – war und ist groß. Wir stellen den Zuschauerinnen und Zuschauern unabhängige und objektive Informationen zur Verfügung, überparteilich und umfassend. Das alles lässt sich sehr gut in unseren Programmgrundsätzen nachlesen. Diese Aufgabe ist nicht kleiner geworden. Menschen bewegen sich heute in Filterblasen und Echokammern, in denen Dinge behauptet werden, die schlichtweg nicht der Wahrheit entsprechen. Viele kommerzielle Player, vor allem die großen Tech-Unternehmen, halten sich auch nicht an Spielregeln für Diskussionen, die früher selbstverständlich waren. Künstliche Intelligenz kann und wird die geschilderten Herausforderungen vermutlich noch vergrößern. Für mich, und alle anderen Vertreterinnen und Vertreter von Qualitätsmedien, gilt deshalb, dass wir immer am Ball bleiben und uns permanent weiterentwickeln müssen. Das gilt zum einen für das Erkennen von Fakes, zum anderen beim Einsatz von KI, die auch für uns selbst schon jetzt ein wichtiges Werkzeug ist. Kritisch bleiben, Dinge immer wieder hinterfragen und die Menschen mit unseren Inhalten dort erreichen, wo sie sind. All das tun wir und werden es weiter tun.

Wie sieht Dein Arbeitsalltag als Journalist aus? Kannst Du uns einen Moderatoreneinblick geben, wie eine typische Sendung von der Planung bis zur Ausstrahlung entsteht?

Ich konzentriere mich jetzt mal auf die Moderatoren-Rolle, auch wenn das nicht mehr meine aktuelle Aufgabe ist. Da beginnt der Tag mit einer Redaktionskonferenz. Zuerst müssen die aktuellen Themen gesichtet und gewichtet werden. Welches Thema hängt so hoch, dass wir es mit einem Beitrag und/oder einem Schaltgespräch covern wollen bzw. müssen? Federführend hier ist die Schlussredakteurin oder der Schlussredakteur, aber natürlich können und sollen sich alle Redaktionsmitglieder einbringen. Dann gibt es noch die weniger aktuellen Themen, deren Auswahl für einen guten Sendungsbau aber ebenfalls ganz entscheidend sind. Wenn das Gerüst erst mal steht, gehen alle an ihre Arbeit. Als Moderator habe ich die bis dahin fertigen Beiträge geschaut, selbst viel recherchiert, Fragen für Schaltgespräche vorbereitet, mich mit der Schlussredaktion abgestimmt und meine Texte geschrieben. Die werden immer noch durch die Schlussredaktion abgenommen. Je nach Ereignislage kann so eine Sendung am Tag auch komplett umgebaut werden. Dann irgendwann Klamottenwechsel, Maske und ab in Studio. Zum Glück haben die Kolleginnen und Kollegen dort immer noch mal mit mir geprobt. Stimmt der Einstieg, gab es zwischenzeitlich neue Zahlen zu einem Ereignis? Um 16 Uhr ging es live und hoffentlich fehlerfrei auf Sendung. Danach dann eine Nachbesprechung und der Blick auf den nächsten Tag.

In polarisierten Zeiten stehen Medien zunehmend unter Druck – sei es durch politische Einflussversuche, wachsende Skepsis oder den Ruf nach Neutralität. Wie muss sich eine Redaktion ihre Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit bewahren und wo sollten Grenzen zwischen journalistischer Kritik und aktivistischem Engagement gezogen werden?

Wir als öffentlich-rechtlicher Sender bewahren unsere Glaubwürdigkeit, indem wir unserer Arbeit gewissenhaft nachgehen, so wie sie in unseren Programmgrundsätzen definiert ist. Berechtige Kritik nehmen wir ernst und wir setzen uns mit ihr gewissenhaft auseinander. Auch wir machen Fehler. Im Idealfall erkennen wir sie selbst, aber auch Hinweise von außen sind sehr wichtig. Auf ZDFheute.de gibt es zum Beispiel eine eigene Korrekturenseite, in der wir sehr offen mit Fehlern umgehen. Und dann gibt es ja auch noch Gremien, die unsere Arbeit konstruktiv-kritisch begleiten. Aber: wie von Euch sehr richtig beschrieben, gibt es heute sehr viele Player, die das ZDF und den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus Prinzip in Verruf bringen und das Vertrauen in uns gezielt schwächen wollen. Da geht es nicht mehr um sachliche Kritik, sondern darum, demokratische Institutionen anzugreifen und auszuhebeln. Das lässt sich nicht nur mit Blick auf Medien beobachten. Wir als ZDF zeigen dabei klare Kante und lassen uns nicht einschüchtern. Zum Glück ist das Vertrauen der Bevölkerung in ARD und ZDF weiterhin sehr groß. Wir arbeiten jeden Tag daran, dass es so bleibt.

Danke für Deine Zeit und viel Erfolg für Deinen weiteren Weg!

Foto: (c) ZDF

Bijon Chatterji
Bijon Chatterji
Bijon Chatterji (*1978) ist Mitbegründer und Chefredakteur von theinder.net. Nach dem Biologiestudium in Braunschweig promovierte und forschte er rund zehn Jahre in Hannover, bevor er in die Industrie wechselte. Seit über einem Jahrzehnt ist er in globaler Verantwortung für Biotechnologieunternehmen tätig, u.a. mit besonderem Fokus auf Indien. Von 2012 bis 2016 war er Mitglied der Auswahlkommission des Programms "Deutsch-Indisches Klassenzimmer" der Robert Bosch Stiftung und des Goethe-Instituts Neu-Delhi. Seit 2018 ist er Mitorganisator des "Hanseatic India Colloquium" in Hamburg, referierte u. a. am IIT Bombay und nimmt seit 2023 auf Einladung der Bundesintegrationsbeauftragten an Dialoggesprächen im Bundeskanzleramt teil.

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