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Di, 19. März, 2024
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Tea Talks: Social Media in Indien – "From activism to fake news"

Ein Bericht von Nicola Westermann. Indien, die größte Demokratie der Welt, hat gewählt. Ein Großteil des Wahlkampfs zu den Parlamentswahlen 2019 wurde dabei in dem Land, das über 600 Mio. Smartphone-Nutzer zählt, in den Sozialen Netzwerken und auf WhatsApp entschieden. Diese vergleichsweise junge Form des Wahlkampfs verändert die Kommunikation mit Auswirkung auf Hierarchien und Beziehungen hin zu mehr informationeller Gleichberechtigung und Teilhabe:

„Politiker können über WhatsApp angeschrieben werden und antworten auch – etwas, das über Email nie funktionieren würde“, so Natalie Mayroth und Aaquib Khan, beide deutsch-indische Medienbotschafter der Robert Bosch Stiftung. Dies, wie auch die Möglichkeiten der Vernetzung von jungen, sozial engagierten Aktivisten untereinander – etwa zu gemeinsamen FridaysForFuture-Protesten oder Plastikmüllsammeln am Strand von Mumbai – sind zweifellos die positiven Aspekte der Sozialen Medien in Indien.
Doch die Rolle der Netzwerke ist bei Weitem nicht nur positiv. Handys und Internettarife sind in Indien sehr günstig. „Selbst Menschen in Regionen, wo die Haushalte über keine Toilette verfügen, besitzen alle ein Smartphone.“, so Khan. Für viele Erstnutzer des Internets ist das Smartphone die hauptsächliche Quelle für Informationen. Nachrichten, Videos und Fotos werden leichtgläubig an Familie, Freunde und Bekannte weitergeleitet, ohne deren Authentizität zu prüfen. Entsprechend hoch ist die Zahl der Fake News. Rechtspopulistische Berichterstatter unterstützen die hindu-nationalistische Wahlkampfpropaganda, diffamieren gezielt Politiker und schüren Ressentiments gegenüber religiösen Minderheiten. Prominente Beispiele sind im Internet kursierende Fake News wie die Verleumdung des ersten Premierministers und geistigen Vaters der Kongresspartei Jawaharlal Nehru als sexuell ausschweifend sowie die Verbreitung viraler Nachrichten, in denen Muslimen das Schlachten von Kühen, die in Indien heilig sind, und das Schmuggeln von Rindfleisch unterstellt wird.
Die Netzwerke begünstigen darüber hinaus die Verbreitung von Gerüchten, wie etwa Gerüchte über Kindesentführungen, die an berechtigte Ängste der Bevölkerung vor Menschenhandel anknüpfen. Dies hat in den vergangenen Jahren zu einer erheblichen Anzahl von Lynchjustiz-Opfern geführt. Eine neue Qualität der sogenannten WhatsApp-Morde ist das Filmen und Fotografieren der Gewalt an den Opfern der Selbstjustiz und die Weiterverbreitung dieses Materials in den Netzwerken. Doch nicht nur wer verleumdet wird, lebt gefährlich. Auch die eigene Meinung in den Netzwerken kund zu tun, sich gar kritisch in Bezug auf die indische Armee zu äußern, kann in bedrohlicher Weise dazu führen, als anti-national stigmatisiert zu werden. Wenngleich die indische Regierung kurz vor den Wahlen die Tech-Giganten Facebook, Google und Twitter dazu aufforderte, Fake News verbreitende Webseiten und Profile zu schließen, bleibt die rechts-nationalistische Agenda von Premierminister Narendra Modi, Nutznießer dieser Aktionen.
Der Tea Talk „Social Media in India“ auf dem Indischen Filmfestival beleuchtete in höchst kompetenter Weise die Rolle der sozialen Netzwerke als Manipulationsmittel zu politischen Zwecken. An einer Stelle wurde ebenfalls ein Blick auf deren wirtschaftliche Nutzung geworfen. So veröffentlichte der zu Indiens größtem Konsumgüterhersteller Hindustan Unilever gehörende Waschmittelproduzent Surf Excel im Jahre 2011 kurz vor dem Hindufest Holi eine Werbung, die nach Unternehmenskommunikation die Harmonie zwischen Hindus und Muslimen in Indien befördern sollte. Die Storyline – ein Hindu-Mädchen, das einen weiß gekleideten, muslimischen Jungen auf pfiffige Weise davor schützt, auf dem Weg zur Moschee mit Farbbeuteln beworfen zu werden – ist jedoch durchaus als provokativ zu bezeichnen. Entsprechend stark war die Reaktion der indischen Internetnutzer in den sozialen Netzwerken, deren Kommentare sowohl von hinduistischer als auch von muslimischer Seite von Befürwortung bis hin zu massiver Kritik und zum Aufruf des Boykotts reichten. Ob Provokation hier die bewusst gewählte, von Firmen durchaus häufiger eingesetzte Werbestrategie war – immerhin bescherte die Kontroverse dem Unternehmen mehr als 8.000.000 Aufrufe des Videos auf YouTube – musste offen bleiben. Eine systematische Aufarbeitung der Nutzung des Internets unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wie auch der Rolle der beruflichen Netzwerke in Indien wäre daher ein Desiderat für die Zukunft.

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