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Sa, 12. Oktober, 2024
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Susmit Banerjee: „Demokratie endet nicht am Werkstor“

Welche Verbindung hast Du zu Indien, und wie prägt sie Deine Arbeit und Sichtweise?

Als ich neulich zum Yoga in eine neue Gruppe kam, ging ein Schmunzeln durch den Raum, als ich erzählte, dass der Vorname „Susmit“ aus Indien stamme. Daran sieht man – Indien bleibt ein Teil meines Lebens, nicht nur beim Yoga. Vielleicht hilft die Verbindung zu Indien auch im Beruf und bei der Arbeit dabei, sich – mancher indischen Philosophie folgend – klar zu machen, was wirklich wichtig ist, und was nicht.

Siehst Du Potenziale für eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Indien im Energiebereich?

Beim Thema Zusammenarbeit in der Energiebranche würde man vielleicht zuerst an deutsche Ingenieurskunst oder indische Solarstrom-Produktion denken, aber ich möchte den Blick hier auf das Management richten: Indien stellt längst nicht mehr nur den IT-Support für Deutschland, sondern liefert heute Finance Reportings, Data Analytics, Business Intelligence und viele weitere komplexe Dienstleistungen nach Deutschland und in die Welt. So findet man meinen Nachnamen heute im globalen Adressbuch des Unternehmens, in dem ich arbeite, sehr viel häufiger als vor fünfzehn Jahren! Auch das ist Zusammenarbeit in der Wirtschaft.

Als Sohn indischer Einwanderer, welche Herausforderungen und Chancen siehst Du in der Integration von Migranten in den deutschen Arbeitsmarkt?

Arbeit und das berufliche Zusammenwirken bilden – in den meisten Fällen – ein starkes Fundament für die Integration in eine Gesellschaft. Die Menschen, die neu in Deutschland sind, können sich durch ihre Arbeit einbringen, fühlen sich – je nach Tätigkeit – hoffentlich gebraucht, während die alteingesessenen Kolleginnen und Kollegen, wenn sie ein gutes Team bilden, erleben, dass der Zuzug von Fachkräften eine Bereicherung sein kann.

Wie fördert Ihr die Integration von internationalen Fachkräften?

Bei dem Unternehmen, in dem ich arbeite, haben wir in letzter Zeit auch Menschen eingestellt, die zum Beispiel aus der Ukraine oder eben aus Indien stammen. Einige haben in ihren Herkunftsländern bereits für denselben Konzern gearbeitet. In meiner Rolle als Vorsitzender des Betriebsrats begrüße ich alle Neuen und spreche mit ihnen über ihre Erfahrungen und Erwartungen – und natürlich über ihre neu gewonnenen Rechte als Arbeitnehmer in einem Land wie Deutschland, in dem wir zum Glück eine Soziale Marktwirtschaft haben.

Welche Hauptaufgaben übernimmst Du als Betriebsratsvorsitzender bei Shell Deutschland?

Unsere Demokratie in Deutschland endet nicht am Werkstor oder an der Bürotür, sondern reicht bis ins Wirtschaftsleben hinein. Mit der Gründung der Bundesrepublik war klar, dass demokratisches Denken und Handeln tief verwurzelt sein sollten – auch im Job. Als Mitglied – und jetzt Vorsitzender – des Betriebsrats in meinem Unternehmen kümmere ich mich um ein faires Miteinander, um gerechte Regelungen und – wenn es doch ernst wird – um die Abfederung von sozialen Härten, falls zum Beispiel Menschen entlassen werden sollen.

Welchen Herausforderungen begegnest Du in dieser Rolle am häufigsten?

Es gibt politische Gruppen, die demokratische Rechte im Berufsleben einschränken oder abschaffen wollen! Wir haben in Deutschland starke Arbeitnehmerrechte, viel Schutz und Mitbestimmung – genau das ist diesen Gruppen ein Dorn im Auge. Leider werden sie bei Wahlen auch von Menschen unterstützt, die gar nicht merken, dass sie sich ins eigene Fleisch schneiden. Meine Herausforderung ist, sich dafür einzusetzen, dass wir unsere Rechte und die demokratischen Prinzipien behalten, die Deutschland so viele Jahrzehnte erfolgreich gemacht haben. Deshalb kann ich jedem empfehlen, sich im Betriebsrat zu engagieren, ihrer und seiner Gewerkschaft beizutreten und für die Demokratie in Deutschland einzustehen.

Wie arbeitet der Betriebsrat mit der Unternehmensleitung zusammen, um die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten?

Scherzhaft gesagt: der Unternehmensleitung auf den Füßen herumzutrampeln, ist nicht sehr karriereförderlich – aber auch das kann als Betriebsrat manchmal nötig sein. Wir sind von der Belegschaft für vier Jahre gewählt, um in ihrem Namen ihre Interessen zu vertreten. Das sind nicht immer die Interessen der Geschäftsführung. Aber die Kunst in der Politik besteht im Ausloten von Kompromissen, im Verhandeln, im miteinander Sprechen und einen fairen Ausgleich finden.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung eigentlich ab, wie wird da verhandelt und auf die Füße getreten? Vielleicht magst Du ein Fallbeispiel nennen und wie es am Ende für beide Seiten ausgegangen ist.

Oberstes Ziel ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung; so steht es auch im Gesetz. Wir wollen ja beide, dass es dem Unternehmen gut geht und alle mit ihm wachsen. Dafür sind viele Gespräche und manchmal sogar Verhandlungen nötig. Ein gutes Beispiel kann eine Tarif-Verhandlung sein: die läuft zwar nie über Betriebsräte, sondern – rechtlich vorgegeben – nur über die Gewerkschaft. Aber ich bin auch Mitglied der zuständigen Gewerkschaft und verhandle in dieser Rolle mit meiner Geschäftsführung, zum Beispiel über die Erhöhung der Gehälter. Oft denkt man dabei an einen Streik, aber bei uns haben wir bisher immer nach einigen Verhandlungsrunden einen Kompromiss gefunden, mit dem alle leben können.

Welche Maßnahmen setzt Shell Deutschland ein, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?

Jedem Unternehmen kann man nur raten, in den eigenen Nachwuchs zu investieren – wir haben Menschen in der beruflichen Ausbildung, dual Studierende zum kaufmännischen oder technischen Bachelor, Traineeprogramme für Master-Absolventen, aber auch Einstiegsmöglichkeiten für Berufserfahrene, ausländische Fachkräfte und Einsätze für Kolleginnen und Kollegen aus internationalen Schwestergesellschaften. Daneben arbeiten wir als Betriebsrat gemeinsam mit unserer Gewerkschaft daran, die Konditionen und Arbeitsbedingungen im Unternehmen attraktiv zu gestalten, auch für diejenigen in Ausbildung oder Studium.

Wie wichtig ist die Weiterbildung von bestehenden Mitarbeitern in Eurer Strategie zur Bekämpfung des Fachkräftemangels?

EWA, so heißt bei uns die Energiewende-Akademie: Sie bietet Online-Kurse zu Energiethemen, genauso wie auch weitere Schulungsprogramme, die alles anbieten von Marketingmanagement bis Verhandlungsführung. Daneben lernt man oft ja am besten dadurch, dass man selbst etwas macht – und so kann ich „Job Shadowing“ empfehlen, bei dem man anderen quasi über die Schulter blickt oder selbst Aufgaben übernimmt. Als Betriebsrat sind wir mit der Personalabteilung laufend im Gespräch, was die Weiterbildungsstrategie betrifft, und auf eines dürfen wir uns einstellen: lebenslanges Lernen. Deshalb sollte niemand auf seinen Bildungsurlaub verzichten: Jedes Jahr hat man dafür fünf Tage frei! Das gilt in allen deutschen Bundesländern, mit Ausnahme von Bayern und Sachsen.

Welche Herausforderungen siehst Du aus Deiner Perspektive für Betriebe, Betriebsräte und Mitarbeiter auf uns zukommen? Trägt das aktuell veränderte politische Bild mit dazu bei?

All die Rechte, die ich beschrieben habe – von Mitbestimmung, demokratischer Teilhabe im Unternehmen, über Tarifverhandlungen bis Kündigungsschutz – sind nicht vom Himmel gefallen. Sie wurden von Menschen für uns meist mühevoll erstritten. Heute gilt es mehr denn je diese Rechte zu verteidigen! Setzt Euch ein für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität.

Vielen Dank für diese Schlussworte.

Foto: (c) S. Banerjee

Bijon Chatterji
Bijon Chatterji
Bijon Chatterji (*1978) ist Mitbegründer und Chefredakteur von theinder.net. Er studierte Biologie in Braunschweig, promovierte, forschte und lehrte in Hannover. Heute ist er als Global Lead für ein Biotechnologieunternehmen tätig und verantwortet dort u.a. den Bereich Indien. Von 2012-16 war Bijon Mitglied der Auswahlkommission für das "Deutsch-Indische Klassenzimmer" (Robert Bosch Stiftung / Goethe-Institut). Seit 2018 ist er Mitorganisator des "Hanseatic India Colloquium" und nahm 2023 auf Einladung der Bundesintegrationsbeauftragten erstmals an Dialoggesprächen im Bundeskanzleramt teil.

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