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Di, 19. März, 2024
Start20 Jahre theinder.netRafiq Iqbal: "'Kinder statt Inder' hat Deutschland geschadet"

Rafiq Iqbal: „‚Kinder statt Inder‘ hat Deutschland geschadet“

Foto: (c) Rafiq Iqbal
Rafiq Iqbal (53) gehört zu den Industrie 4.0 Pionieren und ist Experte für Robotik und Erneuerbare Energien. Er ist Co-Investor der Cybiotics GmbH, die sich mit Cybersecurity beschäftigt. Der Entrepreneur blickt auf eine 30-jährige Erfahrung als Business Development Coach zurück und ist gelernter Ingenieur für Mechatronik, zudem ist er Vorsitzender des German-Indian Round Tables (GIRT) in Würzburg. Rafiq wurde im Jahr 2000 direkt auf theinder.net aufmerksam und beobachtete dabei die Greencarddebatte sehr genau. Er gab uns ein sehr informatives Interview, u.a. warum Innovation und Ethik in der Wirtschaft zusammenspielen müssen.

Rafiq, wann oder wie hast Du erstmals von theinder.net erfahren und was war Dein erster Eindruck?

Das war 2001 oder 2002. Ich war immer wieder auf der Suche nach Beiträgen über Indien und dachte „wie cool ist das denn?“ als ich Euch entdeckte! Endlich eine junge indische Diaspora, die alles zusammen bringt. Und dann auch noch dieser witzige Name theinder.net…

Was konnte das Portal den Lesern/innen anbieten, das womöglich andere zu diesem Zeitpunkt nicht konnten?

Indien-affine Menschen in Deutschland überregional zusammenbringen. Egal ob Business, Diaspora- oder Bollywood oder andere Deutschland/Indien-Themen ausschlaggebend waren, wurde auf theinder.net alles an Indien-Aktivitäten und Informationen kompakt präsentiert und dennoch mit eine vertraute Leseratmosphäre erschaffen.

Hattest Du die Greencarddebatte 2000 mitverfolgt, wie hast Du sie wahrgenommen und wie würdest Du sie rückblickend beschreiben?

Ja, hatte ich intensiv verfolgt. Zu dem Zeitpunkt war ich als Diplomingenieur in einem Konzern verantwortlich für die Einführung von Robotersimulation. Die politische Stimmungsmache mit der Postkartenaktion „Kinder statt Inder“ war in der Greencarddebatte schadhaft für Deutschland und für viele peinlich. Rückblickend wurde nicht in die Digitalisierungskompetenz an Schulen investiert und viele Inder entschieden sich statt Deutschland doch lieber in die USA auszuwanderen.

Was zeigt uns Covid-19?

Covid-19 hat uns aktuell die Digitalisierungslücken an unseren Schulen klar aufgezeigt. Viele der nach USA ausgewanderten Inder sind heute integrierte Amerikaner und z.B. Vorstände von Google, Microsoft, IBM, Adobe, Mastercard und vielen anderen A-Playern in der IT-Industrie.

Das Problem des Fachkräftemangels ist bis heute nicht wirklich gelöst oder täuscht das? Hätte es Eure Firma schon 2000 gegeben, was wäre anders gelaufen bzw. wie hättest Du es anders gemacht?

Aus den Resultaten der Greencard-Debatte wurde viel gelernt. Vieles hat sich verändert und Deutschland ist mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf einem tollen Weg. Einzig Covid-19 hat hier zu einer ungeahnt neuen Situation geführt. Das ganze ist jedoch ein gesellschaftlicher Entwicklungsprozess. Uns hätte es 2000 so noch nicht geben können.

Ich gehörte im Berufsleben zu einer sehr kleinen intellektuellen Minderheit mit indischem Migrationshintergrund. Mir wurde zu diesem Zeitpunkt klar, wenn nicht ich mich selbst gesellschaftlich und politisch engagiere und interkulturelle Coachings anbiete, wer dann?

Ich fühlte mich für eine veränderte Haltung in Deutschland verantwortlich. Wer, wenn nicht ich kann gesellschaftliche Ängste abbauen, Grenzen überwinden und für indische Fachkräfte als Lösung für den Digitalisierungsstandort Deutschland werben.
Hätte hätte Fahrradkette (lacht). Ich würde es heute wieder genauso machen. Ein Lob auch an die veränderte Haltung der politischen Eliten.

Du bist dem deutsch-indischen Dialog treu geblieben und u.a. über den GIRT und Deine Firma Cybotics aktiv. Erzähle uns etwas über Dich, was Du machst und warum du Bundeskanzlerin Merkel getroffen hast.

Chapter Head des Wirtschaftsnetzwerkes German Indian Round Table GIRT wurde ich aus der Motivation, Deutschland mitzugestalten und die Potentiale Indiens aufzuzeigen. Ich begann in meiner bayerischen Heimat, Unterfranken. Die Cybotics GmbH gründete ich in Würzurg mit meinem früheren MBA Studienkollege Akshay Dabar. Cybersecurity und Robotics ergibt Cybotics. Als Schnittstelle zwischen Deutschland und Indien setzen wir IT Projekte für mittelständische Unternehmen um. Dazu kommt noch unsere Rekrutierungsplattform www.devhof.com, mit der wir indische IT-Fachkräfte nach Deutschland vermitteln und diese interkulturell für ein halbes Jahr begleiten. Spracherfolg und interkulturelles Coaching tracken wir in einer Zielvereinbarung. Warum sollen wir in der Digitalisierung nicht von den Erfolgen der Amerikanern lernen und unsere eigene Deutsche Methodik dazu entwickeln?

Im deutsch-indischen Netzwerk gibt es nicht viele Player mit der Mischung von technischen und betriebswirtschaftlichem Background. 2016 unterstütze ich ein Batteriesystem-Startup und entwicklte dafür die Marketing-Strategie. Unerwartet gewannen wir die Goldmedaille des Deutschen Bundesinnovationspreises. Die Cybotics GmbH beriet im Anschluss einen Hersteller von Batteriesystemen, weshalb ich an der Konferenz des Deutsch-Indischen Energieforums in Delhi teilnahm. Als Teilnehmer dieses Dialogs wurde ich auch zu den anschließenden Regierungskonsultationen zwischen Bundeskanzlerin Merkel und Premierminister Modi eingeladen. Hier bewarb Bundeskanzlerin Merkel auch das zum 1. März 2020 kommende Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Wir hatten die Plattform www.devhof.com aus dem Bedarf an Digitalisierung entwickelt und fühlten uns mit diesem „Tinder für IT Inder und Personalverantwortliche“ am Puls der Zeit. Alle waren von unserer Plattform angetan aber auch von unserer nicht einfach zu imitierenden interkulturellen Digitalisierungskompetenz. Dann kam der 1. März und auch COVID-19 veränderte die Welt. Die Lücken in der Digitalisierung wurden zum Hauptthema, Neueinstellungen von Fachkräften sind verhalten und unsere IT Offshore Projekte haben stark zugenommen.

Vor zwei Jahren habe ich einen Vortrag von Dir in Hamburg gehört. Nachhaltigkeit liegt Dir sehr am Herzen?

Natürlich, als Vater von 5 Kindern habe ich einen gewissen Anspruch wie ich diese Welt mal verlassen möchte.

Dazu eine Anekdote: Im zarten Alter von 3 Jahren sah ich die Wolken zum ersten mal aus einem Flugzeug und dachte, es wären Wattebäuschchen. Nach der Landung in Asien war ich erschüttert zu sehen, wie würdelos teils Menschen im Müll lebten. Ab diesem Zeitpunkt, vom Hochgefühl am Flughimmel und Tiefgefühl zu Boden, hat mich der Drang, die Welt zu verändern und ihre Schönheit zu schützen, nie mehr losgelassen. Als ich später die Worte von Mahatma Gandhi las „Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünscht für diese Welt“, wurde mir klar, was für mich die Lösung ist.

Ich finde es interessant, dass Ihr „Innovation und Ethik“ zusammenbringt, das liest man ja nicht allzu oft in Firmenprofilen. Kannst Du dies bitte näher erläutern?

Innovation kann Nutzen stiften aber auch unheil bewirken. Die 80er Jahre und Themen wie die WAA Wiedeaufbereitungsanlage oder die Stationierung von Pershing-Raketen haben meine Generation stark geprägt. Mein Fazit: Wenn Technologie nicht im Einklang mit Akzeptanz und gesellschaftlicher Verantwortung einhergeht, ist Technologie zum Scheitern verurteilt.
Heute sind Technologiethemen und Veränderungen viel subtiler als in den 80ern zu betrachten. Als Beispiel möchte ich unser abhörsicheres und nicht hackbares Cybotics Secure Phone nennen. Dies haben wir entwickelt um den Menschen wieder ein Stück Privatsphäre zu ermöglichen.
Daten entwickeln sich zunehmend zum Innovationstreiber neuer Technologien. Hinzu pendeln zu Zeiten von Homeoffice viele Entscheidungsträger und Personen des öffentlichen Lebens zwischen ihrem Zuhause und dem Büro. Das Smartphone ist immer dabei und häufig ein bequemes Einfallstor ohne dass es Ihre Nutzer bemerken. Daher ist heute ein neuer Schutz aber auch die Weiterentwicklung einer neuen Datenethik relevant.

Welche Themen würdest Du gerne künftig auf theinder.net sehen?

  • Interviews mit den politischen Stakeholdern
  • Gründer mit indischen Migrationshintergrund
  • Rubrik „Was macht eigentlich…“
  • Interview mit indischen Migranten und Ihren Kindern (The years after)

Besten Dank für dieses recht lehrreiche Gespräch.

Bijon Chatterji
Bijon Chatterji
Bijon Chatterji, Jg. 1978, ist Mitbegründer und Chefredakteur von theinder.net. Er studierte Biologie an der TU Braunschweig und promovierte am Fraunhofer-Institut in Hannover. Nach Lehr- und Forschungstätigkeiten an der Medizinischen Hochschule Hannover ist Bijon heute als Director of Business Development für ein österreichisches Biotechnologieunternehmen tätig. Bijon wohnt in Hamburg, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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