
Prof. Dr. Manoj Gupte (*1974) lehrt Internationales Management an der Hochschule Ludwigshafen und verfügt über langjährige Erfahrung in Industrie und Wissenschaft. Er beschreibt, wie Pune zu einem Zentrum deutscher Investitionen wurde, wie die Initiative „Make in India“ die industrielle Basis stärkt und welche Chancen in Nachhaltigkeit, erneuerbaren Energien und der wachsenden Start-up-Szene Indiens liegen. Trotz des bislang geringen Handelsvolumens erkennt er großes Potenzial in den deutsch-indischen Wirtschaftsbeziehungen und betont zugleich das Ansehen, das Deutschland bei indischen Fachkräften genießt. Für die Zukunft plädiert er für einen intensiveren Austausch auf allen Ebenen.
Manoj, wie hast Du die Entwicklung der deutsch-indischen Wirtschaftsbeziehungen seit den frühen 2000er Jahren erlebt? Was waren aus Deiner Sicht die wichtigsten Meilensteine?
Ich konnte hautnah erleben, wie Pune im Bundestaat Maharashtra zur Hauptstadt deutscher Direktinvestitionen geworden ist. Die Lufthansa hatte zu der Zeit sogar einen Direktflug aus Frankfurt im Flugplan. Mittlerweile sind alleine in Pune mehr als 300 deutsche Firmen und Joint-Venture mit deutscher Beteiligung ansässig, vor allem im Maschinenbau. Nach dem Boom der IT-Industrie hat die indische Regierung erkannt, dass Indien auch die Industrieproduktion stärken muss. Mittlerweile hat die „Make in India“ Initiative an Fahrt aufgenommen. Und trotzdem: Obwohl Deutschland und Indien die dritt- bzw. viertgrößte Industrienation der Welt ist, steckt der bilaterale Handel noch in den Kinderschuhen. Der dt. Außenhandel mit Indien beträgt gerade mal 1%. Hier ist noch viel Luft nach oben.
Welche kulturellen Besonderheiten und Herausforderungen begegnen Dir in der Zusammenarbeit zwischen deutschen und indischen Unternehmen, besonders im Bereich der Führung, Kommunikation und Arbeitsorganisation? Wie können Firmen diese kulturellen Unterschiede am besten nutzen und meistern?
Das eine Indien gibt es nicht. Indien besteht aus vielen unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und Religionen. Ich habe versucht, die Stärken dieser Vielfalt zu nutzen und als Bereicherung zu verstehen. Wir haben in Zeiten eines leergefegten Arbeitsmarktes sehr bewusst Talente aus anderen Branchen eingestellt, wenn sie den Willen gezeigt haben, sich in neue Zusammenhänge einzuarbeiten, aber vor allem die Gabe hatten, Lösungen für die kleinen und großen Probleme zu finden, denen man in Indien täglich begegnet. Wer mit offenen Augen durch Indien geht, wird schnell merken, welche Chancen es bietet.
Nachhaltigkeit ist in beiden Ländern ein großes Thema – wie siehst Du die Rolle deutsch-indischer Kooperationen in nachhaltigem Wirtschaften und Innovationsmanagement?
In Deutschland wird Nachhaltigkeit fälschlicherweise mehr und mehr als Wachstumsbremse angesehen, hier sendet die deutsche Politik derzeit falsche Signale. Andere Länder sind dabei, Deutschland in diesen Zukunftstechnologien zu überholen. In Indien sucht man schon immer die Chance in der Nachhaltigkeit und findet sie, z.B. in der Produktion von Komponenten für die Solarindustrie. Gerade in den Erneuerbaren Energien ergeben sich viele Möglichkeiten. Beide Länder möchten unabhängiger von Importen aus China werden. Gleichzeitig wird für beide Länder der US-Exportmarkt restriktiver. Diese Chancen müssen beide nutzen. Positive Signale kommen u.a. auch bei den Forschungskooperationen. Die Zahl der GastwissenschaftlerInnen steigt stetig an. Wie beim Außenhandel ist auch hier noch viel Luft nach oben!
Welche Chancen ergeben sich für Start-ups und Mittelstand aus einer stärkeren Vernetzung zwischen Deutschland und Indien?
Ich bin fasziniert von der Start-up Szene in Indien. Die Gen Z in Indien umfasst 350 Millionen. Hier wächst eine junge, dynamische Generation heran, die die nachhaltig konsumieren will und Use Cases entwickelt und zur Marktreife bringt. Von dieser Dynamik kann auch Deutschland profitieren. Weiterer Rückenwind bringt das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien, das auf der Zielgeraden scheint.
Wie hat sich aus Deiner Sicht die Wahrnehmung Indiens in der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft im Laufe der Zeit verändert?
Für die deutsche Wirtschaft hatte der Handel innerhalb der EU, mit den USA als auch mit China Priorität. Indien war zwar wirtschaftlich schon immer von Interesse, aber eben nicht im primären Fokus. Langsam verstetigt sich das Wachstum, noch auf geringem Niveau, aber mit wachsender Dynamik. Die schlafende Riese erwacht. Das nimmt auch die deutsche Industrie war. Gleichzeitig genießt Deutschland bei indischen Studierenden und Fachkräften einen guten Ruf, insbesondere „Engineering made in Germany“, trotz der vielen Hindernisse bei Visum und Arbeitserlaubnissen.
Du warst von Anfang an mit theinder.net verbunden (Stichwort: Seminar Königswinter) – wie hat sich das Portal aus Deiner Sicht als Plattform für den deutsch-indischen Dialog entwickelt? Welche Rolle kann es heute spielen?
Ich finde es bereichernd, wenn eine Plattform in der Lage ist, Brücken zu schlagen, Kulturen zu verbinden und Menschen zusammenzubringen. Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, gemeinsame Wege zu finden, anstatt Gegensätze zu predigen. Und genau das tut theiner.net. Großes Kompliment und herzlichen Glückwunsch zu 25 Jahren an Bijon und das gesamte Team!
Was wünschst Du Dir für die Zukunft der deutsch-indischen Beziehungen – privat, wirtschaftlich und kulturell?
Einen intensiveren Austausch, auf allen Ebenen. Am Ende des Tages sind wir ja alle „Indo-Germanen“!
Link: Manoj Gupte – Professur für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Internationales Management








