(bc) Kolkata (früher Calcutta) gilt als Indiens Bundesstaat der Dichter und Denker. Während jedoch die Südmetropolen Chennai, Bangalore und Hyderabad in den letzten Jahren zu wahren IT-Hochburgen heranwuchsen, war Kolkata im Bereich der Informationstechnologie noch immer rückständig. „Seitdem Jyoti Basu nicht mehr an der Macht ist, hat sich der Staat West Bengalen bzw. der Ballungsraum Kolkata dem IT-Zeitalter allerdings geöffnet, weil sich die Politik geändert hat. Endlich!“ erklärt mir Anubrata Chakrabarti am Stand seiner Firma Alumnus Software auf der CeBIT 2003 in Hannover. Tatsächlich gehört West Bengalen zu den am schnellsten wachsenden Staaten im letzten Jahrzehnt. Der besondere Fokus auf die Computerindustrie soll sich in den kommenden Jahren auszahlen. „Kolkata besitzt ein riesiges Potential. Bis zum Jahre 2010 zählen Experten Kolkata zu den drei Top-IT-Metropolen Indiens“, sagt Saubir Chakrabarty der Firma Web Development Company.
Glaubt man der offiziellen Informationsbroschüre des Departments für Informationstechnologie des Staates West Bengalen unter der Führung von Manabendra Mukherjee, dann spricht alles gegen Vorurteile wie „Niemand investiert in West Bengalen“. De facto wurde indienweit in den Jahren 2000-01 hinter Gujarat am höchsten investiert. 165 Firmen mit insgesamt 13.000 Angestellten bevölkern bereits heute Kolkata’s IT-Zentrum Salt Lake. „Dass West Bengalen ein Beschäftigungsproblem hat, ist falsch. In Salt Lake wurde bisher nicht ein einziges solcher Probleme unter Computerspezialisten berichtet. Wir besitzen einen exzellenten Beleg für sozioökonomische Stabilität“, fügt Maloy Paul Chaudhury von West Bengal Electronics Industry Development Cooperation (Webel) hinzu. Ja sogar ein Gesetz wurde geschaffen, das es Frauen erlaubt, auch Nachts zu arbeiten.
Das Potential ist im Bildungssystem zu suchen. Kein Staat in Indien gibt durchschnittlich soviel Geld für Bildung pro Kopf aus wie West Bengalen. Namhafte Ausbildungsorte wie das landesweit führende Indian Institute of Technology (IIT) Kharagpur, das Analytics Institute, die Jadavpur University oder IIM Calcutta, sowie zahlreiche Colleges unterstreichen den Ruf höchster Bildungsqualität.
Für die Gründung neuer Projekte und Firmen hat die Regierung besondere finanzielle Förderprogramme vorgesehen, die es sowohl in- wie ausländischen Investoren in diese Region ziehen soll und von der zentralen Anlaufstelle Webel, quasi der IT-Firma der Regierung, koordiniert wird. Aber auch sonst sind die Kosten insgesamt im Hinblick auf Strom, Telekommunikation und Lebenserhaltung im Verhältnis zu anderen indischen Staaten günstig.
In und um Salt Lake (SaltLec) wird kräftig gebaut, um die Infrastruktur in allen Bereichen zu verbessern. So hat man bereits mit dem Bau einer neuen Schnellstraße vom Flughafen zum IT-Zentrum begonnen sowie die Restaurierung alter Straßen im Lande angeordnet.
Genauso wie auch beispielsweise in Andhra Pradesh legt West Bengalen großen Wert auf den Aspekt der eGovernance. Dabei wird Kolkata zunächst komplett vernetzt und der Öffentlichkeit die Möglichkeit geboten, Behördenangelegenheiten aus dem Internet zu erledigen und Datenbanken zu nutzen.
Ob sich ein neuer IT-Staat einfach so aus dem Boden stampfen lässt, bleibt abzuwarten. Doch die Weichen dafür sind ganz sicher gestellt, da die Grundvoraussetzungen existent sind.