
Dayanita Singh ist eine der interessantesten Fotografinnen Indiens. Mit ihrem neuen Fotoband „Privacy“ untermauert sie ihren Anspruch, den Betrachter mit ungewöhnlichen Bildern ihres Heimatlandes zu überraschen.
Nachdem die 42-Jährige, die in Neu Delhi lebt, über Jahrzehnte die Armut und das soziale Elend in indischen Großstädten dokumentiert hat, wendet sie sich in ihrem aktuellen Projekt den eigenen Wurzeln zu: sie nimmt wohlhabende Großfamilien in ihren edlen Wohnsitzen auf. Ihre Aufnahmen zeigen ein im Westen weitgehend unbekanntes Bild einer selbstbewussten Elite, die sich stolz mit Statussymbolen umgibt.
„Ich begann meine Freunde und deren Familien zu fotografieren. Ich gab ihnen Bilder, die die Familie bejahten in einer Zeit, in der ihre Struktur sich von der Sippe zur Kleinfamilie wandelte, vor dem Hintergrund einer geschlossenen Gesellschaft, die sich den Weltmärkten zu öffnen begann. Die Familie, diese tragende Säule der indischen Gesellschaft, ist unsere einzige soziale Stütze,“ sagt Dayanita Singh über ihre Arbeiten. Die Nähe zu den Menschen, die sie porträtiert, eröffnete ihr sehr persönliche Einblicke. Manchmal zeigen die zeitlos schönen Schwarzweißbilder einfach nur leere Räume ohne Menschen.
Die Fotografin besteht darauf, dass auch diese Zimmer bevölkert sind, von unsichtbaren Generationen derer, die zuvor in ihnen gelebt haben. Eine etwas unheimlich Sichtweise, wer Singhs Bilder gesehen hat, wird ihr wohl ein Stück weit Glauben schenken. Ihr Fotobuch überzeugt als sensible Studie von Menschen und Wohnorten des indischen Wohlstandsmilieus.