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Di, 19. März, 2024
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Covid-19: Hohe Dunkelziffer in Indien

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Aktuell sind die Medien voll von Corona-News, überall bekommt man die aktuellsten Zahlen zu Neuinfektionen und statistische R-Werte. Die Daten und Zahlen sind wichtig, um die Geschehnisse einordnen zu können. In diesem Artikel sollen aber auch die lebensnahen Zustände in Indien, die hinter den Zahlen stehen, veranschaulicht werden.

Aber zunächst einmal zurück zu den Zahlen: Mit 6.225.763 Fällen (Stand 29.9.20) ist Indien nach den USA das Land mit den höchsten gemeldeten Fallzahlen weltweit. Auch mit knapp 100.000 gemeldeten Todesfällen führt der Subkontinent die Liste nach den USA und Brasilien an.

Doch was geben diese Zahlen wider, wo steht Indien mit seinem harten Lock down wirklich?

Die Daten zeigen schon, dass in Indien hohe Fallzahlen vorherrschen, jedoch ist die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher. Eine Studie des „Indischen Rates für medizinische Forschung“ ergab, dass in Neu Delhi 23% der Einwohner sich mit dem neuen Coronavirus infiziert haben. Damit gäbe es allein in Delhi etwa 5 Millionen betroffene Menschen statt der nur rund 130.000 gemeldeten Fälle in der Hauptstadt. Ein weiterer Test im Auftrag der indischen Regierung ergab bei 15.000 zufällig getesteten Personen eine Positivquote von sogar 29,1% in Neu Delhi.

Eine weitere Studie lieferte dramatische Zahlen. So ergab diese, dass 57 % der Bewohner von 3 Slums in der indischen Millionenmetropole Mumbai Corona Antikörper im Blut haben. Dabei wurden 7.000 Menschen getestet.

In ganz Indien sind also sicher viel mehr Menschen mit Covid-19 infiziert als angegeben. Wenn man bedenkt, dass die Testquote auf dem Land noch viel niedriger ist als inder Hauptstadt, dann könnten schon 200 Millionen Inder Corona infiziert sein.

Tatsächlich ist die Testquote im Land im Vergleich zu anderen Ländern recht gering. Indien hat bis dato (29.9.20) stolze 73 Millionen Tests durchgeführt, Deutschland nur 15 Millionen. Bezogen auf die Bevölkerung wurden also etwa 5% der Einwohner schon getestet, in Deutschland aber etwa 20% (Mehrfachtestungen von selben Personen sind hierbei nicht berücksichtigt). China und die USA haben schon je über 100 Millionen Tests durchgeführt.

Des Weiteren ist die Positivrate in Indien mit knapp 7% auch deutlich höher als in anderen Ländern (Deutschland ca. 1%).

Zusammenfassend kann man also sagen, dass die Zahlen sicher nur einen Bruchteil der tatsächlich Infizierten darstellen können und tatsächlich wesentlich höher liegen müssen.

Das Gute aber ist, das die indische Regierung Studien wie die o.g. zulässt –ähnliches wäre von Russland oder China wahrscheinlich nicht zu erwarten. Auch wenn die indische Regierung ein hohes Interesse an niedrigen, offiziellen Todeszahlen hat, um die harte Lock-down-Politik zu rechtfertigen.

Todesfälle: Indien hat nur wenige Todesfälle im Verhältnis zur Bevölkerung zu beklagen. Auch hier ist von einer sehr viel höheren Dunkelziffer auszugehen.

Bei 80 Prozent der Todesfälle in Indien wird kein ärztlicher Totenschein ausgestellt, also auch nicht offiziell die Todesursache erfasst. Ein anderer Grund für verhältnismäßig wenig Todesfälle könnte auch die junge Bevölkerung Indiens sein.

Tatsächlich scheint das Bild in Indien so zu sein, dass die erste Welle recht ungebremst durch das Land schwappt, die Bilder der dicht gedrängten Wanderarbeiter aus den Nachrichten haben das ahnen lassen.

Ein weiterer Aspekt ist, dass es durch den harten Lock down auch zu einer Übersterblichkeit durch die wirtschaftlichen Folgen kommt. So steigen die Armut und damit die Versorgung von Millionen von Menschen mit Lebensmitteln und medizinischer Versorgung. Es gibt Berechnungen, die schätzen, dass durch die wirtschaftlichen Folgen in Indien mehr Menschen sterben als durch Covid-19.

Wie sieht es bei den Menschen tatsächlich aus? Verwandte aus der Stadt berichten, dass viele sich nicht testen lassen, da sie Sorge haben, bei positivem Ergebnis in eine staatliche Coronaklinik zu müssen oder ganze Wohnblocks dann abgeriegelt werden.

Auf der anderen Seite ist es schwer, überhaupt einen Test zu bekommen. Die staatlichen Stellen sind überlastet, dort muss man mit hunderten anderen Patienten oft den ganzen Tag auf die Testdurchführung warten, meist dicht gedrängt, so dass das Bürgertum diese Stellen meidet. Viele Hausärzte aber testen nicht und behandeln oft aus Sorge vor Corona nicht mehr wie üblich oder nehmen viel höhere Gebühren als zuvor. Bei privaten Testlaboren ist die Wartezeit kürzer, der Test muss aber selbst bezahlt werden –das kommt für viele Inder nicht in Frage.

Dann gibt es die gut situierten, älteren Menschen, die aus Sorge vor Corona seit Monaten das Haus nicht mehr verlassen haben und sich zuhause komplett von fliegenden Händlern versorgen lassen und wiederum das Bild von dicht gefüllten Straßen ohne jegliche Abstandsregeln. So ist die Coronarate in den Slums auch 3 Mal höher als in den bürgerlichen Vierteln.

Und zum Schluss noch ein paar Zahlen: Indien hat geschätzt 20.000 Beatmungsplätze, und diese meist in privaten Kliniken. Auf tausend Einwohner gibt es überhaupt nur 0,5 Krankenhausbetten. In Deutschland gibt es ca. 40.000 Beatmungsplätze und 0,5 Betten pro 80 Einwohner.

So bleibt trotz Atommacht und Weltraumsatelliten weiterhin die größte Aufgabe des Landes, seinen 400 Millionen Analphabeten und Menschen ohne medizinische Versorgung eine bessere Chancengleichheit auf Gesundheit, Leben und Bildung zu ermöglichen. Aber seit Jahren stagnieren hier die Zahlen nahezu. Der Wirtschaftseinbruch von geschätzt 6 Prozent lässt für die Zukunft Schlimmes ahnen.

Quellen:

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/114895/Jeder-Vierte-in-Indiens-Hauptstadt-hat-SARS-CoV-2-Antikoerper

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/115812/Knapp-jeder-Dritte-in-Neu-Delhi-hat-Antikoerper-von-SARS-CoV-2-im-Blut

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/115121/Studie-Mehr-als-die-Haelfte-der-Slumbewohner-in-Mumbai-hatte-Corona

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1105095/umfrage/anzahl-durchgefuehrter-tests-fuer-das-coronavirus-nach-laendern

https://www.handelsblatt.com/politik/international/pandemie-oekonomen-wirtschaftliche-folgen-sorgen-fuer-mehr-tote-in-indien-als-corona-selbst/26115182.html?ticket=ST-228449-Jx6f97E2xgNxQHZhTEIf-ap2

Soumya P. Datta
Soumya P. Datta
Soumya Phillip Datta, Jg. 1977, ist Mitbegründer von theinder.net und verantwortlich für den Bereich Finanzen. Soumya studierte Medizin in Kiel, promovierte dort und leitet heute als Kinderarzt seine eigene Praxis in Stuhr. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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