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Sa., 22. November, 2025
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Biyon Kattilathu: „Alles was ich nicht wollte, hat mich geprägt“

Foto: (c) David Dyballa

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Biyon, Du stehst heute auf großen Bühnen, berührst Tausende Menschen mit deiner Energie und Botschaft. Wie hast du diesen Weg gefunden – vom promovierten Wirtschaftswissenschaftler zum gefeierten Speaker? Was hat dich angetrieben?

In Motivation steckt das Wort Motiv – also das Warum. Und mein Warum war schon immer klar: Ich wollte Menschen helfen, auszusprechen, was ihnen auf dem Herzen liegt. Das Wie hat sich erst mit der Zeit gezeigt. Auch wenn ich etwas gelernt habe, das ich beruflich nie ausgeübt habe, bereue ich nichts. Jede Erfahrung war wichtig, um mich dorthin zu bringen, wo ich heute bin. Ich glaube fest daran, dass alles zur richtigen Zeit kommt. Und was mich damals angetrieben hat, treibt mich heute noch an. Wenn dein Warum so stark ist, dass es dir Tränen in die Augen treibt, dann weißt du, dass du auf dem richtigen Weg bist. Dann stehst du morgens auf und willst einfach das tun, was dir wirklich am Herzen liegt.

In deiner Doktorarbeit hast du dich mit Kundenpsychologie beschäftigt. Wie sehr beeinflussen dich deine wissenschaftlichen Erkenntnisse heute noch in deiner Arbeit als Redner und Coach?

Es ist schwer zu sagen, wie stark die Theorie die Praxis wirklich beeinflusst. Ich glaube aber, dass vieles, was man lernt und was einem sinnvoll erscheint, ins Unterbewusstsein rutscht und dort weiterwirkt. Trotzdem steht für mich das gelebte Leben an erster Stelle. Die Erfahrungen, die man selbst macht, prägen am tiefsten – und sie fließen bis heute in das ein, was ich praktisch tue.

Deine Karriere ist geprägt von ausverkauften Shows, Bestsellern, Prominentenstatus. Was glaubst du: Was macht dich und deine Botschaften so besonders? Was berührt die Menschen an dir?

Ich glaube, ich habe ein Talent, Menschen im Herzen zu berühren – einfach, weil ich selbst von Herzen spreche. Was von Herzen kommt, erreicht die Herzen anderer. Aber gerade wenn man Shows macht oder Bestseller schreibt, reicht Talent allein nicht aus. Es braucht Werte, Disziplin und den Willen, die extra Meile zu gehen. Und das tue ich – nicht, um anzukommen, sondern weil ich den Weg liebe. Und auch, wer ich auf diesem Weg werde. Viele Menschen können sich mit mir identifizieren. Jüngere finden vielleicht etwas Cooles in mir, Menschen mit Migrationshintergrund sehen sich selbst – und viele Deutsche spüren, dass auch kulturell etwas Vertrautes in mir steckt. Am Ende zählt aber vor allem eins: Man spürt, es kommt von Herzen. Und dass ich es ernst meine mit dem, was ich sage.

Du sprichst offen über Rassismus, Diskriminierung und Mobbing – Dinge, die du selbst erlebt hast. Welche Erfahrungen haben dich besonders geprägt? Und wie gelingt es dir, negative Erlebnisse in positive Kraft zu verwandeln?

Gerade in jungen Jahren habe ich viel Rassismus erlebt. Aber ich glaube, in jedem steckt eine Transformationskraft – die Fähigkeit, auch negative Erfahrungen in etwas Positives zu wandeln. Oft erkennt man das aber erst rückblickend. Im Moment selbst fühlt es sich nicht gut an. Doch das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden. Um diesen Wandel zu schaffen, braucht es Auseinandersetzung, Bewusstsein und auch Mut. Frieden zu schließen mit dem, was war, und zu erkennen, dass im Schmerz auch Stärke steckt – zum Beispiel in Form von Empathie oder Gerechtigkeitssinn. Ich glaube, das kann man lernen. Es ist nicht angeboren – aber es entsteht, wenn man bereit ist, hinzuschauen.

Gab es in deinem Leben Schlüsselmomente, in denen du gespürt hast: „Ich bin anders – und das ist eine Stärke“? Aber auch anders gefragt: gibt es Dinge, die man im Nachhinein lieber nicht gemacht hätte, z.B. „Let’s Dance“?

Ich tue mich schwer damit, einzelne Schlüsselmomente zu benennen. Rückblickend ist es oft leicht, etwas als entscheidend zu deuten – vor allem, wenn es gut ausgegangen ist. Aber ich bin da eher vorsichtig. Was mich stark geprägt hat, war vor allem das, was ich nicht wollte. Falsches Umfeld, falscher Beruf, falsche Wege – all das hat mir deutlich gezeigt, was ich wirklich suche. Die Kehrseite hat mich auf meinen Weg gebracht. Ich würde trotzdem nichts verändern. Keine Entscheidung bereue ich, weil jede Erfahrung ihren Sinn hatte. Es ist leicht zu sagen, man würde etwas anders machen – aber niemand kann die Folgen wirklich abschätzen. Ich bin dankbar für alles und überzeugt: Ich bin genau da, wo ich sein soll.

Was gibst du (jungen) Menschen mit auf den Weg, die sich heute mit Vorurteilen oder Ausgrenzung konfrontiert sehen – sei es wegen ihrer Herkunft, ihres Namens oder Aussehens?

Ich würde Menschen, die solche Erfahrungen machen, vor allem mitgeben: Du bist nicht allein. Auch wenn es sich manchmal so anfühlt – dieses Gefühl teilen viele. Wichtig ist auch zu verstehen: Das Problem liegt nicht bei dir, sondern dort, wo es entsteht. Nimm es nicht persönlich – auch wenn das leichter gesagt ist als getan. Der beste Schutz gegen Anfeindungen ist ein gesundes Selbstwertgefühl. Alles, was du für deine Selbstliebe und die Beziehung zu dir selbst tust, stärkt dich – und hilft dir, dich davon nicht zerstören zu lassen.

Wenn du heute auf der Bühne stehst – fühlst du dich im Herzen manchmal noch wie der kleine indische Junge, der in Deutschland nach seinem Platz suchte? Oder hat sich dieses Bild verändert? Kritiker werfen Dir natürlich auch Kommerzialisierung vor, dass es um das Verkaufen von Produkten geht – wie gehst Du damit um?

Ich habe oft das Gefühl, dass der kleine Biyon noch immer in der ersten Reihe sitzt und mir zuhört. Vieles von dem, was ich heute tue, hätte er sich damals selbst gewünscht. Insofern ist er ein Teil von mir geblieben. Gleichzeitig bin ich sehr dankbar für das Vertrauen der Menschen. Dass sie ihre Herzen öffnen und spüren, dass ich aus eigener Erfahrung spreche – und dass das, was ich teile, ihnen wirklich helfen kann. Am Ende zählt für mich vor allem eines: Wenn ich in den Spiegel schauen kann und weiß, dass ich alles aus den richtigen Motiven tue – mit gutem Gewissen und reinem Herzen – dann kann ich ganz ruhig schlafen.

Was bedeutet es für dich, als deutsch-indische Stimme sichtbar zu sein – gerade in einer Zeit, in der das gesellschaftliche Klima herausfordernder wird?

Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Verantwortung übernehmen darf – und auch stolz auf meine Wurzeln im indischen Raum. Ich stehe für Toleranz, Respekt und Gleichberechtigung. Durch meine Community sehe ich immer wieder, wie sehr uns Menschen verbindet – und dass es viel mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt. Das macht mir große Hoffnung. Jede Herausforderung hat zwei Seiten. Sie kann auch eine Chance sein – für Neues, für ein besseres Miteinander, für neue Wege. Und ich bin gerne Teil davon.

Danke für die ehrlichen Antworten!


Weiterführender Link: Biyon Kattilathu – offizieller Internetauftritt

Bijon Chatterji
Bijon Chatterji
Bijon Chatterji (*1978) ist Mitbegründer und Chefredakteur von theinder.net. Nach dem Biologiestudium in Braunschweig promovierte und forschte er rund zehn Jahre in Hannover, bevor er in die Industrie wechselte. Seit über einem Jahrzehnt ist er in globaler Verantwortung für Biotechnologieunternehmen tätig, u.a. mit besonderem Fokus auf Indien. Von 2012 bis 2016 war er Mitglied der Auswahlkommission des Programms "Deutsch-Indisches Klassenzimmer" der Robert Bosch Stiftung und des Goethe-Instituts Neu-Delhi. Seit 2018 ist er Mitorganisator des "Hanseatic India Colloquium" in Hamburg, referierte u. a. am IIT Bombay und nimmt seit 2023 auf Einladung der Bundesintegrationsbeauftragten an Dialoggesprächen im Bundeskanzleramt teil.

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