
„Ups, schon wieder ein Jahr vorbei!“ wird manch ein Zeitgenosse gedacht haben, als er kürzlich einen Blick auf seinen Kalender riskierte. Die Rede ist vom Jahr 2001, welches Kristian Joshi und Bijon Chatterji für euch aus deutsch-indischer Sicht noch einmal revue passieren lassen wollen. In den nächsten Zeilen erfahrt ihr alle wichtigen, freudigen und unliebsamen Ereignisse, die den indischen Subkontinent und die indische Gemeinde in Deutschland bewegt haben.
Krisengeschüttelt (im wahrsten Sinne des Wortes) wie es anfing, so hörte es auch auf, das Jahr 2001 auf dem indischen Subkontinent:
Frohen Mutes gab es sein Stelldichein, als am 9. Januar das größte Fest der Menschheit, die hinduistische Kumbh Mela (etwa ‚Kessel-Treffen‘) am Zusammenfluss (Sangam) von Ganges und Yamuna im nordindischen Prayag (Allahabad), etwa 100 Kilometer westlich von Varanasi in Uttar Pradesh, begann. Bis zum 21.Februar sollten mehr als 50 Millionen Menschen für die größte Menschenansammlung der Geschichte gesorgt haben. Unter Millionen Gläubigen, nach Erlösung und religiöser Erfüllung strebenden Hindus fand sich auch der eine oder andre Hollywoodstar wieder.
Beispiel für – wenn auch fragwürdigen – technologischen Fortschritt war der erfolgreiche Test der indischen Mittelstreckenrakete Agni (‚Feuer‘) am 17. Januar des Jahres. Pünktlich zur großen Militärparade am Tag der Republik in Neu Delhi am 26. Januar konnte die Nation mit einem weiteren Schaustück im Prestige- und Waffenwettstreit mit Pakistan aufwarten.
Der Freitag des 26. Januar sollte sich der ganzen Nation anderweitig ins Gedächtnis gebrannt haben. Während nach leichten Erderschütterungen in der Hauptstadt Neu Delhi die große Festveranstaltung zum Tag der Republik wie geplant mit großem Pomp abgehalten wurde, bebte das schwerste Erdbeben in der indischen Geschichte seit hundert Jahren den westindischen Bundesstaat Gujarat zurück in die Steinzeit und machte aus einem der am weitesten entwickelten indischen Regionen eine Trümmerlandschaft. Das Beben mit Stärke 7,9 auf der Richterskala suchte das Land um viertel vor Neun für etwa zehn Minuten heim und begrub bis zu hunderttausend Menschen unter den Trümmern ihrer Häuser. Mehrere hunderttausend Menschen wurden obdachlos. Gujarat versank im Chaos und die Arbeit der staatlichen Hilfskräfte kam nur schleppend und unkoordiniert voran.
Mit 6,5 Tonnen Hilfsgütern für das Erdbebengebiet im Gepäck stattete am 26. Februar der deutsche Verteidigungsminister Scharping Indien einen Besuch ab. Während seines Aufenthaltes traf er mit Premier Vajpayee, Außenminister Singh, Oppositionsführerin Gandhi sowie seinem indischen Amtskollegen Fernandes zusammen, wobei es unter anderem um deutsche Waffenlieferungen an Indien ging.
Um große Zahlen, Daten und Fakten ging es am 28. des Monats, als etwa 2,4 Millionen Zählkräfte ihre in knapp drei Wochen gesammelten demographischen Daten von über einer Milliarde Menschen zusammentrugen und damit die wohl größte Volkszählung der Welt abschlossen.
Das wohl größte kulturelle Erbe Afghanistans aus vorislamisch-buddhistischer Zeit, die weltberühmten Buddha-Statuen von Bamiyan, wurden am 1. März von afghanischen Taliban-Kämpfern in die Luft gejagt, da sie ein Verstoß gegen das muslimische Verbot, sich ein Abbild Gottes zu schaffen, dargestellt haben sollen. Auf die Zerstörung dieses Weltkulturerbes reagierten Staaten in aller Welt mit Empörung. Indiens Premier Vajpayee sagte, wahre Muslime würden auch andere Religionen respektieren.
Der Respekt gegenüber der indischen Regierungspartei BJP und der Politiker-Zunft im Lande im Allgemeinen schwand zusehends, als die indische Nachrichten-Netzseite Tehelka.com am 14.3. Ergebnisse einer von ihr inszenierten Bestechungsaktion veröffentlichte. Mehrere hochrangige Politiker hatten Schmiergeld für den angeblichen Kauf von Armee-Ausrüstung genommen und wurden dabei von Video-Kameras gefilmt. Darauf mussten unter anderem BJP-Vorsitzender Bangaru Laxman, sowie Verteidigungsminister Fernandes (inzwischen übrigens wieder im Amt) den Hut nehmen.
In freudigerer Erinnerung werden Indiens Wissenschaftler den Monat März behalten. Denn am 19. des Monats durfte die indische Presse einen riesigen Triumph in der technologischen Historie des Landes verlauten: Der staatlichen Raumfahrtagentur ISRO (Indian Space Research Organization), gelang es, mit der 49 Meter hohen Rakete GSLV-D1 einen geostationären Satelliten ins All zu befördern. Dieser Meilenstein katapultierte Indien auf Augenhöhe mit den USA, Russland, Japan, China und der Europäischen Union.
Gefeiert haben auch die Besucher der von Whatyaar Entertainment veranstalteten Indiacation Feier in Wesel. Am 24. März sorgte das riesige Desi-Ereignis mit Musik auf zwei Tanzflächen für erhöhte Ausschüttung von Glückshormonen bei so manchem indischen Zeitgenossen.
Eher brisant ging es derweil im April an der indisch-bangladeshi Grenze zu: Am 16. des Monats drangen bangladeshi Grenztruppen in von Indien verwaltetes Territorium ein, worauf indische Truppen von Bangladesh verwaltetes Gebiet angriffen. Der Grenzstreit ist Resultat einer unklaren Grenzführung nach der Loslösung Bangladeshs von Pakistan 1971. Man vermutet, der Konflikt sei von der bangladeshi Regierung zur Ablenkung von innenpolitischen Themen inszeniert worden. Er eskalierte jedoch nicht weiter, da sich beide Länder schließlich auf die Beibehaltung des Status Quo der Grenzziehung einigten.
Der Monat Mai machte am 5.5. in Viernheim (bei Heidelberg) mit einer Benefizgala auf sich aufmerksam. Die Schülerin Anupama Josan organisierte mit Unterstützung von Hilfsorganisationen eine indische Kulturveranstaltung mit Tanz und Gesang und spendete das gesammelte Geld den Erdbebenopfern von Gujarat. Vorbildlich.
In Indien selbst wurden die Wählerinnen und Wähler lokal am 10.5. an die Urnen gerufen. Dabei fanden Landtagswahlen in Assam, Kerala, Tamil Nadu, West Bengal und Pondicherry statt. Die Kongresspartei behielt im grossen und ganzen die Oberhand, in West Bengalen siegte jedoch wie erwartet die Kommunistische Partei Indiens, in Tamil Nadu die Jayalitha-Partei AIADMK.
Am 13.5. verstarb einer der bekanntesten indischen Schriftsteller im Alter von 94 Jahren: R.K. Narayn. Auch wenn er nie den Nobelpreis erhielt, brachte er es zeit seines Lebens zu Weltruhm.
Am 20.5. platzten dann Indiens Träume an einer Teilnahme an der Fussballweltmeisterschaft 2002 in Korea/Japan. Um letztlich nur einen Punkt scheiterte man an der Qualifikation zur nächsten Runde, da half auch der Sensationserfolg von 1:0 gegen die Arabischen Emirate nichts.
Der Start in den Juni erschütterte die Welt am 1.6. mit einem Blutbad im nepalesischen Königshaus. Kronprinz Dipendra tötete fast die gesamte Familie, dann sich selbst. Grund: seine Mutter war mit der Liebe zu seiner Verlobten nicht einverstanden. Nepals neuer König heisst nun Gyanendra.
Im westfälischen Hamm fand am 3.6. eines der grössten europäischen Hindufeste statt: das alljährliche Tempelfest, das etwa 10.000 Menschen anlockte.
Das Jugendforum der Deutsch-Indischen Gesellschaft veranstaltete vom 15.-17.6. ihr traditionelles und beliebtes Jugendseminar in Bad Boll, das „Männer sind anders, Frauen auch“ thematisierte und die Rolle indischer Frauen und Männer in Deutschland und Indien diskutierte.
Im fernen Pakistan dagegen wurde Präsident Rafiq Tarar entmachtet und durch den Militärdiktator Pervez Musharaf abgelöst. Diese Tatsache wurde weltweit kritisch begutachtet, auch wenn der jetzige Amtsinhaber viele vom Gegenteil überzeugen konnte.
Derweil machte theInder.net in Darmstadt sein erstes Exklusivinterview perfekt. Redakteur Sherry Kizhukandayil sprach am 22.6. mit den Aushängeschildern der Musikrichtung des sogenannten Asian Underground, Badmarsh und Shri über Rassismus, Begrifflichkeiten und Musik.
Im Juli sollte der Sommer die Kluft zwischen Indien und Pakistan – den ewig rivalisierenden Brüdern – ad acta legen. Im „Agra-Gipfel“ empfing Premierminister Vajpayee am 15.7. seinen Amtskollegen Musharaf aus Pakistan in Agra, Standort des Taj Mahal, in der Nähe von Neu Delhi. In einer Medieninszenierung gleichenden Umgebung zeigte man die Bereitschaft aufeinander zuzugehen, doch blieben alle politischen Gespräche, besonders um des Kashmir-Konflikts willen, ergebnislos.
Die indische Fussballnationalmannschaft weilte vom 24.7.-3.8. in England und spielte dort 4 Mal gegen englische Profimannschaften. Die Tour sollte als Sprungbrett für den indischen Fussball in England gelten, endete jedoch mit 3 Niederlagen und einem Unentschieden.
Die indische Frauenbewegung wurde am 25.7. durch die Ermordung der Bürgerrechtlerin Phoolan Devi, genannt „Bandit Queen“ erschüttert. Damit hatte Indien eine ihrer wichtigsten Vertreterinnen verloren.
Im Rahmen eines Konzertes in Karlsruhe hatte theInder.net die Ehre die britisch-indische Musikgruppe Asian Dub Foundation treffen zu dürfen. Der positive Höhepunkt des Sommers.
Kaum vom indischen Unabhängigkeitstag am 15.8. erholt, setzte theInder.net im August noch einen drauf und schaffte das Kunststück, am 24.8. Superstar und indische Reggae-Legende Apache Indian in Amsterdam zu einem Gespräch einzuladen und über musikalische Projekte sowie grundlegende Dinge zu diskutieren. Eine Begegnung der besonderen Art.
Zu erwähnen sei, dass am 21.8. der Vorsitz der Menschenrechtsorganisation Amnesty International ein neues Gesicht erhielt: Pierre Sané wurde durch die Bangladeshi Irene Khan abgelöst.
Am 8. September durften wir uns noch freuen, als die indische Regisseurin Mira Nair den Filmpreis von Venedig für ihren Film „Monsoon Wedding“ erhielt, doch hielt die Welt nach dem verheerenden Terroranschlag vom 11. September in New York und Washington den Atem an. Indien und auch Pakistan stellten sich uneingeschränkt auf die Seite der USA für den Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Indien sagte militärische, geheimdienstliche und logistische Hilfe zu und setzte oberste Sicherheitsstufe im ganzen Land fest. Im Gegenzug hoben die Amerikaner die seit 1998 gegen beide Länder bestehenden Sanktionen in bezug auf Atomtests auf.
Zuvor war es am 9.9. erstmals möglich, bei theinder.net online Flüge zu buchen.
Die Soul of India Party im Stahlwerk in Düsseldorf zog am 14.9. einige hundert Inderinnen und Inder in ihren Bann. Das Ereignis war ein Erfolg, nur mehr Hindi-Musik hätten sich viele gewünscht.
Am 30.9. kam der führende Kongress-Politiker Madhavo Scindia bei einem Flugzeugabsturz im Mainpuri Distrikt im nordindischen Unionsstaat Uttar Pradesh ums Leben. Sieben weitere Personen, darunter sein Privatsekretär und vier Journalisten starben bei dem Unglück 250 km südwestlich der Hauptstadt Neu Delhi. Nach Behördenangaben habe das Privatflugzeug vom Typ Cessna C-90 etwa 25 Minuten nach dem Start den Kontakt zur Flugüberwachung verloren und sei wenig später in ein Feld gestürzt. Scindia war auf dem Weg von Neu Delhi nach Kanpur, wo er an einer Kundgebung seiner Partei teilnehmen wollte. Indien verhängte nach dem Unglück eine dreitägige Staatstrauer und setzte seine Fahnen auf Halbmast.
Am 11. Oktober durfte sich der indischstämmige in Trinidad geborene Vidiadhar Surajprasad Naipaul über den Literatur-Nobelpreis freuen. Seine Werke zählen zur bedeutendsten englischsprachigen Reiseliteratur.
Mit der Desi Jam in Neuss am 20. Oktober durften die Veranstalter DJ Sabu und M’s Entertainment ein weiteres indisches Party-Ereignis als Erfolg verbuchen.
Sportlich ging es aufwärts: Indiens Junioren errungen am 21.10. die Hockey- Weltmeisterschaft, indem sie die Argentinier mit 6-1 vom Platz fegten.
Zeitgleich stellte theinder.net sein neues Design vor, das klare Linien und einheitliche Gestaltung zum Ziel hatte. Hinzu kamen der Service-Bereich „Kühlschrank“ und die eigene Rubrik „Frauen“.
Tausende von Hindus zelebrierten vom 22.-26.10. in ganz Deutschland das alljährliche Durga Puja Fest. Damit wurde der Überlieferung nach der Sieg der Göttin Durga über das Böse auf der Welt gefeiert.
Bundeskanzler Gerhard Schröder weilte am 29. und 30. Oktober 2001 zu einem zweitägigen Staatsbesuch in Indien. Im Mittelpunkt der Gespräche standen die internationale „Anti-Terror Kampagne“ und der Krieg in Afghanistan sowie eine Verstärkung des Austausches von Wirtschaft und Wissenschaft. Dieser erste Besuch eines Bundeskanzlers in Indien seit acht Jahren kommt kommt einer Wiederentdeckung des Subkontinents gleich. Schröder betonte, dass Indien mit seinem riesigen Markt und seiner funktionierenden Demokratie mehr Anerkennung verdiene. Ein erster Schritt der Belebung der deutsch-indischen Beziehungen könnten die von Schröder angeregten jährlichen Konsultationen auf Regierungsebene sein. Für das Jahr 2002 erhielt Premierminister Vajpayee bereits eine Einladung nach Deutschland.
Am 4. November reiste Premierminister Vajpayee zu mehrtägigen Gesprächen nach Moskau, Washington und Großbritannien. Es ging in erster Linie um einen besseren Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen der Länder.
In Indien sorgten tausende Dalits (Menschen unterster Kaste) für Schlagzeilen, als sie gegen Monatsanfang zum Buddhismus konvertierten.
Der 17.11. war dann wieder ein Tag zum Feiern: zum 5. Mal fand die legendäre Indian Night in Frankfurt statt, eine Party, die mehrere hundert junge Inderinnen und Inder aus ganz Deutschland anlockte und bis in den frühen morgen feierte, aber auch viele Deutsche und andere Nationalitäten fanden sich hier wieder.
Anfang Dezember folgte der Spieleraufruf des im Sommer gestarteten Projektes „Indischer Fussball in Deutschland“. Gesucht wurden und werden indischstämmige Fussballer, um eine eigene Mannschaft aufzustellen, die an internationalen und nationalen Turnieren teilnehmen soll. Interessenten können sich nach wie vor bei theinder.net melden.
Der 9.12. wird für Freunde des indischen Films in trauriger Erinnerung bleiben. Die indische Filmlegende Ashok Kumar starb im Alter von 90 Jahren an einem Herzversagen.
Am 13. Dezember attackierten feige Selbstmordattentäter das Parlament von Neu Delhi. 14 Menschen wurden getötet, darunter alle Attentäter sowie einige Sicherheitskräfte.
Kurz darauf verschlechterten sich die Beziehungen zu Pakistan, weil Indien den pakistanischen Geheimdienst ISI für den Anschlag verantwortlich machte. Indien drohte Pakistan daraufhin offen mit Krieg und ließ seine alljährliche Parade am 26. Januar mit der Begründung, die Streitkräfte würden an der Grenze zu Pakistan gebraucht, ausfallen. Die grösste seit über 20 Jahren aufgestellte Truppenkonzentration wurde nach Kaschmir beordert. Indien stellte zudem Raketensysteme an der Grenze ab und führte Luftschutzübungen durch. Auch Pakistan reagierte dementsprechend und zog 10.000 seiner insgesamt 60.000 für Afghanistan aufgestellten Soldaten an die Grenze nach Indien ab. Indien verlangte von Pakistan die Auslieferung mutmaßlicher Terroristen. Die internationale Gemeinschaft bemühte sich derweil um Vermittlung.
Für einen versöhnlichen Abschluss des Sportjahres sorgten am 15.12. die indischen Hockey-Herren, indem sie das Champions Challenge in Malaysia gewannen und sich damit wieder zu den sechs weltbesten Mannschaften hochmanövrierten.
Am 16. des Monats kam derweil nach Expertenmeinungen einer der besten indischen Filme „Kabhi Khushi Kabhi Gham“ heraus. Amitabh und Jaya Bachchan, Sharukh Khan, Hrithik Roshan, Kareena Kapoor, Kajol und Rani Mukherjee sorgten für ein wahres Staraufgebot.
theInder.net bedankt sich bei allen Leserinnen und Lesern für die Treue und Unterstützung im vergangenen Jahr und wünscht viel Erfolg für 2002.