
Indien ist gerade auf dem besten Weg, neben China zu einem der größten Konsummärkte der Welt zu werden. Dennoch wird der Subkontinent von der deutschen Wirtschaft bisher unterschätzt was nach Meinungen von Experten ein drastischer Fehler ist.
Wer an den Wirtschaftsboom in Asien denkt, dem schießt zuerst das Land China durch den Kopf. Wenn von Zukunftsmärkten die Rede ist, steht das Reich des Drachen im Mittelpunkt des Interesses. Experten meinen jedoch, dass man weiterdenken solle und sich nicht nur auf diesen Markt fokusiert. Denn wer A, also China sagt muss auch B, Indien sagen. Das meinen zum Beispiel Analysten der schweizer Bank UBS. Nach Analysen der Schweizer zählen sie diese beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt zu den Schwellenmärkten mit den langfristig höchsten Wachstumsraten.
Volkswirte haben bereits errechnet, dass Indien im Vergleich zu China bald das größere durchschnittliche Wachstum beim realen Bruttoinlandsprodukt (BIP) aufweisen wird. Statistischen Angaben zufolge wird in China bis zum Jahr 2030 das BIP jährlich um fünf Prozent wachsen. Indien würde da jedoch auf 6,5 Prozent kommen. In den kommenden Jahren wird sogar mit ein Wachstum von mindestens sieben bis neun Prozent gerechnet. Jedoch gibt es einen bedeutenden Unterschied was diese beiden Märkte anbelangt. Während Chinas Wachstum nach der Liberalisierung des Marktes sehr stark vom ausländischen Kapital abhängig ist, liegt das indische Wachstum weitgehend in den eigenen Reihen. Die Folgen für das chinesische Wachstum könnten zu einer Überhitzung der Wirtschaft führen.
Studien haben ergeben, dass in Indien eine vergleichsweise junge und zukunftsorientierte Bevölkerung Hauptursache für dieses Wachstum ist. In Indien sind etwa 35 Prozent der Bevölkerung unter 15 Jahre alt. Bis 2030 müssten demnach rund 335 Millionen Inder das arbeitsfähige Alter erreicht haben. Bei den Chinesen ist es eher umgekehrt. Sie weisen eher eine Stagnation in der Bevölkerungsdynamik auf.
Zu den Hauptindustrien in Indien zählen mittlerweile die Software- und Mobilfunkindustrie, die einen sehr starken Wachstum verzeichnen. Die Vereinigung indischer Mobilfunkprovider COAI erwartet, dass bis zum Jahr 2010 Indien zum drittgrößten Mobilfunkmarkt der Welt aufsteigen wird. Prognosen von COAI zufolge wird im Jahr 2007 die 100-Millionen-Grenze der Mobilfunkbenutzern erreicht.
Ausländische Investoren am BSE
Auch der indische Börsenmarkt entwickelt sich rasant. 2003 legte die Börse in Mumbai (BSE) sage und schreibe 77 Prozent an Wert zu. Nach einem durch politisch eingeflöstem Kurzzeittief im Frühjahr 2004 erreichte der indische Leitindex SENSEX bereits im Dezember ein Allzeithoch. Während und nach der Flutkatastrophe Ende Dezember hat man jedoch mit keinen größeren Kursverluste und Einbußen rechnen müssen. 2005 scheint es weiter bergauf zu gehen. Den größten Profit am BSE hatte der Weltkonzern Infosys zu verzeichnen.
Auch ausländische Investoren haben 2004 viel Geld in indische Aktien investiert. In Zahlen sind das netto 7,05 Milliarden Dollar. Die USA z.B. hat vor allem einen profitablen Markt an der indischen Börse entdeckt. Amerikanische Pensionsfonds wie z.B. die California Public Employees’ Retirement System (Calpers) oder auch Morgan Stanley haben für eine positive Resonanz am SENSEX gesorgt.
Bei seinem letzten Staatsbesuch in Indien forderte der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder die deutsche Wirtschaft auf in dieses Land zu investieren. Dennoch hält sich die deutsche Wirtschaft stark zurück. Indien sei auf keinen Fall zu vernachlässigen, so Schröder. Zahlen zufolge kann man das ziemlich gut nachvollziehen: die deutschen Exporte machen lediglich 2,44 Milliarden Euro aus. Das sind weniger als 0,4 Prozent der Ausfuhren.
Outsourcing – aber wohin?
In der heutigen Zeit wird in den Firmen immer mehr danach geschaut möglichst kostengünstig zu produzieren und Arbeitsschritte und Aufgaben externen Firmen zu übertragen: das sogenannte Outsourcing. Unternehmen wie DaimlerChrysler, Bosch, Siemens, Deutsche Bank oder SAP verlagern immer mehr Arbeitsplätze nach Indien. Gründungen von Call-Centern und Einstellungen von gut ausgebildete IT-Spezialisten sind die Folge. Ein Hauptzentrum des indischen Silicon Valleys ist Bangalore. Die meisten Firmen haben dort einen Sitz. Volkswagen z.B. steht kurz davor eine Produktionsstätte in Indien aufzubauen. theInder.net wird darüber in nächster Zeit berichten.
Zahlen zufolge ist Deutschland im Verzug. Viele große amerikanische und britische Konzerne haben in Indien eine Goldgrube entdeckt und verlagern immer mehr Arbeitsplätze auf den indischen Subkontinent. Einschätzungen von Marktforschern haben ergeben, dass amerikanische Arbeitgeber bis zum Jahr 2015 rund 3,3 Millionen Stellen nach Indien verlagern werden. Darunter fallen etwa eine halbe Millionen Stellen im IT-Sektor. Als jüngstes Beispiel können wir auf die Firma Microsoft schauen. Sie investierte eine weitere Million Dollar um den Kundenservice in Indien auszubauen und auch die Mitarbeiterzahlen im Entwicklungszentrum in Hyderabad sollen kräftig aufgestockt werden. Auch der Großkonzern IBM hat bereits angekündigt immer mehr Jobs nach Indien und China zu verlagern.
Wenn man sich die Entwicklungen anschaut kommt die Frage auf, wieso gerade in diesen beiden Märkten so massiv und intensiv investiert wird. Ein Beispiel macht es deutlich: in Indien hat ein Software-Programmierer ein jährliches Einkommen von etwa 12.000 Dollar. Das sind umgerechnet fast 15.000 Euro und macht ein Sechstel dessen aus, was man vergleichsweise in Amerika und Europa verdienen würde.
Foto: (c) Fares Nimri