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Mi., 5. November, 2025
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Mit Bollywood und Sozialismus: Zohran Mamdani kann der erste südasiatische Bürgermeister New Yorks werden

Man konnte sich nicht ganz sicher sein, ob es sich um eine indische Wahlkampfveranstaltung handelte. Oder ob man sich tatsächlich in New York befand, als Alexandria Ocasio-Cortez ans Rednerpult kam, um ihre Unterstützung für den demokratischen Kandidaten Zohran Mamdani enthusiastisch kundzutun. Im Hintergrund – typisch für amerikanische Inszenierungen – Menschen, die bei Wahlkampfveranstaltungen in der Regel PR-wirksam den Querschnitt der Gesellschaft vertreten sollen. In diesem Falle stechen ein paar Sikhs mit Rauschebärten und bunten Turbanen ins Auge, die inmitten einer eher dunkelhäutigen Schar Menschen stehen und Plakate hochhalten, deren Design an indische Ladenschilder und Bollywood-Plakate erinnert.
Foto: Öffentlich herunterladbares Poster für Wahlkampfunterstützer (www.zohranfornyc.com)

Die Zahl indischstämmiger Menschen in prominenten öffentlichen Positionen ist in den USA relativ hoch. Abgesehen davon, dass man den Eindruck bekommen könnte, indische Herkunft sei Einstellungskriterium für Chefs von Tech-Unternehmen im Silicon Valley, gab es beispielsweise allein in der letzten US-Präsidentschaftswahl, inklusive Vorwahlen, drei Kandidaten mit indischem Hintergrund: Prominentestes Beispiel dürfte die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris gewesen sein, die bei ihrer indischen Mutter aufgewachsen ist. Auf republikanischer Seite waren es Nikki Haley und Vivek Ramaswamy, die Donald Trump in den Vorwahlen herausforderten.

Egal, ob selbst zugewandert, wie im Falle der Tech-CEOs, oder in den USA als Kinder von Einwanderern aufgewachsen – bei all diesen Persönlichkeiten fällt auf, dass sie zwar kein Geheimnis aus ihrem südasiatischen Erbe machen, damit aber auch nicht hausieren gehen. Sie geben sich seriös US-amerikanisch in Anzug und Kostüm und fügen sich unauffällig in das Bild des amerikanischen Mainstream-Politikers oder -Businessmanns.

Nicht so Mamdani. Auf seiner offiziellen Webseite sieht man ihn in weißer Kurta; die Schrift ist bunt und erinnert stilistisch an charakteristische indische Kinoplakat- und Ladenschild-Typografie. Auf seinen Veranstaltungen duftet es nach Pakoras und Samosas; er wendet sich in Hindustani direkt an Südasiaten, wählt Ausschnitte aus Bollywood-Filmen, um seine Aussagen unterhaltsam zu unterstreichen, und posiert wie der indische Superstar Shah Rukh Khan – um nur einige der kulturellen Codes zu nennen, die er bedient, um sich den Support der südasiatischen Community zu sichern.

Wer ist dieser junge Bürgermeisterkandidat, der da so auf „desi“ macht? Was denkt er sich dabei, mit Bollywood-Vibes in einen seriösen Wahlkampf einer nordamerikanischen Metropole zu gehen? Und vor allem: Wieso hat er damit offenbar Erfolg?

Zohran Kwame Mamdani wurde am 18. Oktober 1991 in Kampala, Uganda, geboren. Seine Eltern sind keine Unbekannten: Mutter Mira Nair erlangte durch Filme wie Salaam Bombay! (1988), Mississippi Masala (1991) oder Monsoon Wedding (2001) internationale Bekanntheit und ist die vielleicht bedeutendste indische Regisseurin überhaupt.
Sein Vater ist der renommierte Anthropologe und Politikwissenschaftler Mahmood Mamdani, der, als Sohn indischer Einwanderer in Uganda aufgewachsen, an der Columbia University in New York City lehrt und sich unter anderem mit postkolonialer Theorie und religiösem Fundamentalismus befasst.
Bevor die Familie Ende der 1990er Jahre nach New York zog, verbrachte Zohran Mamdani seine frühe Kindheit in Uganda und Südafrika. Er studierte Afrikastudien am Bowdoin College im US-Bundesstaat Maine und engagierte sich währenddessen bereits politisch, unter anderem für die Rechte der Palästinenser.
Seinen Lebensunterhalt bestritt er als Rapper Young Cardamom und beriet einkommensschwache Menschen in Mietfragen. Nebenbei engagierte er sich politisch für verschiedene demokratische Politiker.
Nachdem er 2018 die US-Staatsbürgerschaft erhielt, stieg Mamdani 2019 schließlich aktiv in die Politik ein und kandidierte für den Assembly-Sitz im New Yorker Wahlbezirk 36 (Queens, Astoria). Diesen gewann er überraschend im Juni 2020 in der Vorwahl gegen die viermalige Amtsinhaberin Aravella Simotas. 2022 und 2024 wurde er wiedergewählt.

Seine Inhalte wenden sich vor allem an junge Menschen, Migranten, marginalisierte Schichten und Arbeiter. Dabei vertritt er links-progressive Positionen und gehört den Democratic Socialists of America (DSA) an. Teil seines Programms sind die Erhöhung des Mindestlohns, Miet- und Wohnschutz in Form einer Art Mietpreisbremse, kostenloser öffentlicher Nahverkehr und eine progressive Steuerpolitik. Außerdem möchte er städtisch betriebene Lebensmittelgeschäfte in strukturschwachen Vierteln ansiedeln, um der in Amerika besonders unter den ärmeren Bevölkerungsschichten verbreiteten Fehlernährung entgegenzutreten. Regelmäßig positioniert er sich zum Nahost-Konflikt und zeigt eine kritische Haltung gegenüber Israel, was ihm nicht zuletzt angesichts der starken jüdischen Gemeinde New Yorks immer wieder viel Kritik einbringt.

Im Juni 2025 gewann Mamdani die demokratische Vorwahl für das Amt des Bürgermeisters von New York City gegen einige etablierte Größen der Partei und avancierte zum aussichtsreichsten Anwärter. In aktuellen Umfragen führt er vor seinen Konkurrenten Andrew Cuomo und Curtis Sliwa mit teilweise mehr als zehn Prozentpunkten. Cuomo, von einigen Skandalen gezeichneter ehemaliger Gouverneur des Staates New York, tritt als unabhängiger Kandidat an und liegt auf Platz zwei. Der Republikaner Sliwa folgt laut Umfragen auf dem dritten Platz.

Der Grund für den Erfolg des jungen politischen Parvenüs liegt vermutlich in den speziellen Eigenheiten New Yorks selbst: Wie in vielen Großstädten gibt es auch hier das Problem, dass die Menschen, die die Stadt am Laufen halten – die Einkommensschwachen und „Worker“ – es sich kaum leisten können, in ihr zu leben. Fast 70 Prozent der New Yorker wohnen zur Miete, und diese ist im Durchschnitt seit 2019 unterschiedlichen Quellen zufolge zwischen 12 und 17 Prozent gestiegen, während die Einkommen in diesem Zeitraum nicht Schritt halten konnten. Dank teilweise regulierter Mieten steht es um die Erschwinglichkeit von Wohnraum in New York zwar nicht ganz so schlecht wie in anderen US-Metropolen, dennoch brennt das Problem vielen Bürgern unter den Nägeln.

Ein weiterer Faktor besteht sicherlich in New Yorks einzigartiger Demografie: Die weiße Bevölkerung der Acht-Millionen-Stadt ist im Vergleich zum US-Durchschnitt gebildeter und einkommensstärker, was mit einer eher progressiv-liberalen Einstellung korrelieren dürfte. Ungefähr 40 Prozent der Bevölkerung New Yorks sind nicht in den USA geboren, und die Mehrheit der Einwohner – mehr als 60 Prozent – besteht aus Nichtweißen. Neben den traditionell starken Bevölkerungsgruppen wie Afroamerikanern und Latinos sind etwa neun Prozent der Bevölkerung muslimisch und circa fünf Prozent südasiatischer Herkunft.

Von diesen wiederum sind etwas mehr als die Hälfte Inder, und sicherlich gehören einige davon zur einflussreichen, einkommensstarken Bevölkerungsschicht. Doch obgleich die Statistik New York zur größten indischen Siedlung der westlichen Hemisphäre macht, sollten ihre Zahl und ihr Einfluss schwerlich ausreichen, um eine Wahl entscheiden zu können. Wieso funktioniert für Mamdani also eine Kampagne, die seine muslimische und südasiatische Identität offen in den Mittelpunkt stellt?

Vielleicht liegt es daran, dass Mamdani in einer Stadt, in der Schätzungen zufolge rund 800 Sprachen gesprochen werden und Menschen aus fast allen Kulturen leben, der weniger privilegierten, migrantischen Mehrheit ihrer Bewohner überzeugender vermitteln kann, dass er einer von ihnen ist, indem er seine Herkunft sichtbar macht, anstatt wie ein typischer US-Politiker aufzutreten, der sich an das Mainstream-Amerika richtet.
Mamdani ist anders und kommt nicht aus dem politischen Establishment. Diese Story ist es, die seine Authentizität und Glaubwürdigkeit unterstreichen soll.

Und vielleicht liegt es daran, dass es gerade die Menschen mit nicht-weißer Herkunft und migrantischen Lebensgeschichten sind, die mit ihren geringen Einkommen unter den steigenden Lebenshaltungskosten am meisten leiden. Sie vereint Mamdani hinter einer Art pragmatischem Aufstand gegen das kapitalistische Narrativ in Amerikas reichster Stadt, das mit der Realität von immer mehr New Yorkerinnen und New Yorkern nicht mehr vereinbar ist. Das macht ihn zu einer Projektionsfläche für die Hoffnung auf ein besseres Leben.

So kommt es, dass er auch in seiner eigenen Partei nicht unumstritten ist. Unterstützt von Gewerkschaften, Sozialverbänden und prominenten linken Protagonisten der Demokratischen Partei wie Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez, sprachen sich erst am Ende des Wahlkampfs auch prominentere, mainstreamkompatible Demokraten wie Hakeem Jeffries, der aus New York stammende Fraktionsführer der Demokraten im Repräsentantenhaus, für den wahrscheinlichen Wahlsieger aus. Andere, wie Ex-Präsident Barack Obama, fanden lobende Worte für den Jungpolitiker, konnten sich jedoch nicht durchringen, sich hinter ihn zu stellen. US-Präsident Trump bezeichnete Mamdani als Kommunisten und drohte, New York den Geldhahn aus Washington abzudrehen, sollte er neuer Bürgermeister werden.

Der Unterstützung der muslimischen Bevölkerung kann Mamdani sich wohl gewiss sein; was die überwiegend hinduistischen indischen New Yorkerinnen und New Yorker angeht, eckte er kürzlich mit Kritik an Indiens Premierminister Narendra Modi an, als er im Rahmen des Wahlkampfes eine Diwali-Feier in einem Tempel besuchte. Es war nicht das erste Mal, dass er kein gutes Haar an Modis hindunationalistischer Politik ließ, zumal die Vorfahren seines Vaters muslimische Gujaratis waren – und Modi als damaliger Ministerpräsident Gujarats für das Staatsversagen während eines der grausamsten Pogrome an Muslimen in Indien im Jahr 2002 mitverantwortlich gemacht wird.
Rechte Hindu-Verbände hatten sich öffentlich für Mamdanis Kontrahenten Cuomo ausgesprochen, während Initiativen wie „Hindus for Zohran“ offen für ihn warben.
Das Buhlen um die Herzen der Hindus hob Mamdani sich für die letzten Wochen der Kampagne auf, als er in einem kleinen Tempel-Marathon mehrere Gebetshäuser besuchte und den Menschen versicherte, dass er stolz auf sein hinduistisches Erbe sei.

Ob der unerfahrene Mamdani nach einem Wahlsieg überhaupt in der Lage sein wird, seine Visionen im politischen Alltag umzusetzen und die Hoffnungen seiner Wähler zu erfüllen, steht auf einem anderen Blatt. Fest steht, dass diese Wahl die politische Landschaft New Yorks jetzt schon nachhaltig aufgerüttelt haben dürfte.


Kristian Joshi
Kristian Joshi
Kristian Joshi ist Mitbegründer von theinder.net und zeichnet nach einigen Jahren Pause nun wieder für den visuellen Auftritt des Projektes verantwortlich. Nach langjähriger Tätigkeit in Design- und Werbeagenturen in Berlin und Hamburg ist er heute als freiberuflicher Art- und Kreativdirektor aktiv.

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