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Di, 19. März, 2024
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Sherry Kizhukandayil: „Einfach machen, könnte ja gut werden“

Sherry Kizhukandayil ist Geschäftsführer der Ethno-Marketingagentur za:media. Angefangen bei theinder.net war er danach lange Zeit einer der führenden Macher der kreativen indischen Szene Deutschlands und einige Zeit als DJ Keralaboy unterwegs. Er holte mit seiner ersten Agentur Ambassador Network Panjabi MC nach Deutschland, noch bevor dieser mit seinem Welthit „Mundian To Bach Ke“ die internationalen Charts stürmte – und wird in Insiderkreisen sogar als der Wegbereiter für Panjabi MCs Weltkarriere gehandelt. In dem folgenden Interview lässt Sherry die Zeit mit uns Revue passieren.

Sherry, Du warst früh als Redakteur für theinder.net tätig. Unter dem Titel „Netzreporter“… Wie kam es dazu und was zeichnete einen „Netzreporter“ aus?

Ich fand das Projekt total spannend und hab mich zeitnah zu eurem Aufruf nach Mitstreitern konsequenterweise beworben. Der „Netzreporter“ hat sich dann so in mir entwickelt, dass ich mich für theinder.net sehr engagiert habe. Ich habe Artikel geschrieben, Interviews geführt, ganz viel Werbung in der Community gemacht und versucht, Sponsoren für das Projekt zu gewinnen. Es war eine ganz besondere Zeit und wertvolle Erfahrung für mich – und für alle Beteiligten eine gute Vorbereitung für nachfolgende Projekte!

Bald darauf hast du dann dein Projekt „Ambassador Network“ ins Leben gerufen. Was hatte es damit auf sich?

Ich wollte immer schon ein eigenes Projekt mit Schwerpunkt Indien machen und gründete die Agentur „Ambassador Network“, um in den Bereichen Booking, Design, Events und Promotion/Marketing neue Akzente zu setzen. Gestartet wurde das ganze Projekt im Jahr 2002. Ich wollte zusammen mit dem Karlstorbahnhof eine indische Nacht kreieren, die alle Facetten der indischen Musikszene beinhaltet. Das Resultat war „The Sounds of Taj Mahal“ – eine Veranstaltung mit indischer Musik, die es in dieser Form bisher noch nicht gab, mit Auftritten von international bekannten und lokalen Acts. Das war noch vor dem Bollywood Hype und dem Welthit „Mundian to Bach Ke“ von Panjabi MC.

Wieviele Besucher hattet Ihr?

Der Anklang war enorm: Aus der Veranstaltung wurde eine große Party, bei der über 1.000 Leute bis 5 Uhr morgens zu verschiedenen indischen Musikstilen tanzten – Videos der legendären Party sind heute noch auf YouTube zu finden. Mit Ambassador Network konnte ich an sehr vielen spannenden indischen Projekten in Deutschland und Europa teilnehmen. Was mich aber besonders freut, das war die Geburt des Welthits „Mundian to Bach Ke“ von Panjabi MC miterleben zu dürfen… und vielleicht war ich sogar ein klein wenig „Geburtshelfer“ für den Erfolg. (augenzwinker) Kurz vor seinem internationalen Erfolg hatten wir ein Konzert von Panjabi MC im Heidelberger Karlstorbahnhof organisiert, außerdem habe ich die Texte für den Tonträger geschrieben und die Promotion für die Platte gemacht – der Rest ist bekanntlich Geschichte.

Dank des Bollywood-Hypes durfte ich mit Ambassador Network viele „indische“ Projekte realisieren – unter anderem die Gestaltung des india! Magazins – aber auch die Zusammenarbeit mit großen Unternehmen wie Bertelsmann AG, SAP, Fox Searchlight war sehr wichtig für das Unternehmen.

Ambassador Network hat die legendären „Bombay Boogie Nights“ veranstaltet. Erzähl uns was über diese Party-Reihe. Was hat ihren Erfolg ausgemacht?

Aufgrund des immensen Erfolges der Veranstaltungen „The Sounds of Taj Mahal“ und „Desi Sunshine“ beschlossen wir 2003, eine Veranstaltungsreihe zu organisieren, die einmal im Monat stattfinden sollte – et voilà, die „Bombay Boogie Nights“ waren geboren. Bei den Veranstaltungen ging es niemals um den kommerziellen Erfolg, wir hatten einfach unglaublich Spaß daran, indische Musik einem großen Publikum vorzustellen – und die Leute waren dankbar dafür. Ich glaube, wenn man mit viel Herzblut an Dinge rangeht, dann passieren am Ende einfach gute Sachen. Und wir waren in unserer Musikauswahl einfach authentisch, wir spielten einen gut gewürzten indischen Mix aus HipHop, Pop, R&B, Drum‘n‘Bass, Bollywood, Bhangra, Tamil, Malayalam, Funk & Dancehall. Bei den Events herrschte ein ganz besonderer Spirit, denn auf der Tanzfläche kamen alle zusammen, die kulturelle und soziale Zugehörigkeit spielte keine Rolle. Ganz gleich, ob indischer oder deutscher Student, Goa-Hippie oder indischer Koch – die Tür war für alle offen! Auch viele Afrikaner, Araber, Türken und Osteuropäer, die mit den Namen Amitabh Bachchan oder Shah Rukh Khan etwas anfangen können, feierten unseren indischen Mix ab.
Der Erfolg war so groß, dass die „Bombay Boogie Nights“ schließlich in ganz Deutschland, Europa und sogar in Neu Delhi veranstaltet wurden. Auch eine „Bombay Boogie Night Compilation“ wurde veröffentlicht, unter anderem mit unseren musikalischen Freunden Asian Dub Foundation, Panjabi MC und Bikram Singh. Indische Musik wurde nicht nur auf den Dancefloors der Metropolen gefeiert, auch bei namhaften Medien wie ARTE, INTRO, JUICE, WDR war der „Indian Sound“ ein großes Thema.

Ihr wart dann ab 2012 mit eurem Sound System auf dem „Holi Festival of Colours“ unterwegs. Ein Holi-Fest in Deutschland? Oder war das einfach nur ein Rave, auf dem mit bunten Farben rumgeschmissen wurde?

2012 haben drei Berliner die Festivalreihe „Holi Festival of Colours“ ins Leben gerufen. Um einen gewissen indischen Touch in die Festivals reinzubringen, benötigten sie noch einen passenden indischen Act und dieser war dann am Ende das „Bombay Boogie Sound Soundsystem“- Team: DJ Pinju, MC Sola Plexus, Sheela Dance und Amal Percussion. Als Gastmusiker kamen befreundeten Künstler*innen aus der ganzen Welt. Wie jedes neue Projekt fing es erst klein an und anfangs wussten wir nicht, wohin die Reise geht. Doch der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, die Festivalreihe fand riesigen Anklang und wurde auch auf andere Länder ausgedehnt.
Es war eine beeindruckende und sehr intensive Zeit, in der wir weltweit vor über
250.000 Menschen auftraten – Berlin, London, Barcelona, Amsterdam, Melbourne oder Santiago in Chile waren einige Stationen. Aber wie so oft, wenn eine Sache von Erfolg gekrönt ist, kommen viele Nachahmer und möchten auf der Welle mitreiten. Allerdings geht damit das Besondere und Authentische schnell verloren. Mit anderen Worten: Der „Indian Summer“ war vorbei und unser Soundsystem Geschichte.

Ein weiteres Projekt, das man mit deinem Namen verbindet, ist das india! Magazin. Eine Zeitschrift mit so einem Nischen-Thema wie Indien, die man in ganz Deutschland im Kiosk kaufen konnte…bemerkenswert. Was mochten die Leute am india! Magazin und warum wurde es schließlich eingestellt?

Wir wollten schon immer ein deutschsprachiges Indien-Magazin herausbringen, das nicht nur über Bollywood berichtet, sondern dem Leser die indische Kultur mit all seinen Facetten nahebringt und interessante Beiträge zu indischer Tradition, Musik, Küche, Kunst, Sport, Politik und Mode beinhaltet. Das große Interesse an der traditionellen indischen Kultur, aber auch an den Modernisierungsprozessen des Subkontinents erlaubte uns, das Magazin in einer höheren Auflage drucken zu lassen und an ausgewählten Kiosken, Bahnhöfen und Flughäfen anzubieten. Es war eine sehr lehrreiche und intensive Zeit, die durch die Verdrängung der Printmagazine durch Online-Medien leider ihr abruptes Ende fand. Schweren Herzens mussten wir das india! Magazin einstellen.

Deine Projekte verbinden verschiedene Kulturen, bringen speziell Indien und Deutschland einander näher. Was ist deine Motivation?

Es gab nie einen Masterplan oder ähnliches, vieles hat mit Leidenschaft und Interesse zu tun. Einerseits liegen meine Roots in Indien, andererseits bin ich in Deutschland geboren. Was liegt da näher als eine Brücke zwischen beiden Kulturen zu bauen, zumal die indische Kultur in Deutschland schon immer Anklang fand und inspirierte? Auch mein Vater engagiert sich seit vielen Jahren für die Belange der indischen Community in Heidelberg, von daher ist die kulturelle Verbindung beider Länder selbstverständlich.

Bei theinder.net warst du unter anderem als Redakteur für die Rubrik Asian Underground aktiv. Was ist das Vermächtnis der Asian Underground Szene, die ja aus UK kam? Was war ihr Einfluss auf Inder*innen der 2. Generation auch außerhalb von UK?

Asian Underground war eher eine Musikrichtung, die von vielen Europäer*innen oder Amerikaner*innen ohne indischen Background abgefeiert wurde. Die weltweite indische Community hatte den Sound eher nicht auf dem Schirm. Daher konnten Acts wie Asian Dub Foundation, Nitin Sawhney, Talvin Singh, Joi, Badmarsh & Shri weltweit erfolgreich touren, gaben unzählige Interviews mit namhaften Medien und kollaborierten mit Stars wie Madonna oder Sting. Für mich waren diese Künstler/innen sehr wichtig, da deren Musik oft auch politisch Stellung bezog. Wie etwa „Free Satpal Ram“ von Asian Dub Foundation. Der Song war nicht nur ein Dancefloor-Kracher, er hatte auch eine politische Message.
Aber Trends kommen und sie gehen, bald gehörte auch dieser Sound der Vergangenheit an – in unserer schnelllebigen Zeit kein Wunder.

Dein erstes großes Interview für theinder.net war mit „Apache Indian“, welche Bedeutung hatte der „Don Rajah“ gesellschaftlich sowie für die Musikszene?

Zusammen mit MC Sola Plexus konnten wir Apache Indian im Rahmen eines holländischen Festivals interviewen. Er war sehr offen und hat sich viel Zeit genommen, die Fragen zu beantworten. Er ist eine lebende Ikone und war einer der ersten Musiker, die mit indischem Background die Mainstream Charts eroberten. Er hat Reggae/Dancehall mit indischen Einflüssen vermischt und hat auch gesellschaftlich relevante Themen angesprochen – wie etwa im Song „Arranged Marriage“.

Legst du noch auf? Wenn ja was? Kannst du unseren Lesern aktuelle Desi Musik aus UK, den USA, Europa oder Indien empfehlen?

Ich lege seit ein paar Jahren nicht mehr auf und bin auch so nicht mehr so aktiv wie früher in der Eventbranche. Es gab in den letzten Jahren einige Veränderungen. Während früher der Fokus auf England lag, ist mittlerweile Indien selbst zum Hot Spot für moderne indische Musik geworden. Denn viele Künstler aus England sind nach Indien umgezogen, weil dort mit der jungen indischen Hörerschaft eine immense Zielgruppe entstanden ist, die man dank Saavn, Spotify und Apple Music erreichen kann. So entstand auch die Kollaboration zwischen dem indischen Rapper DIVINE aus Mumbai und der Hip-Hop Legende NAS „NY se Mumbai“.

Abgesehen davon, gibt es in Europa nur eine Konstante: Die BBC. Die englische Rundfunkanstalt produziert noch immer indische Radioshows, wie etwa „BBC Asian Network“ mit Star-Moderator Bobby Friction. Dort bekommt ihr immer die aktuellsten Scheiben aus der DESI-Szene serviert.

Wie hat sich die Desi-Szene in den letzten 20 Jahren entwickelt, was ist positiv hervorzuheben, was waren die Schattenseiten?

Die Desi-Szene in Deutschland war nie so groß wie in England, Amerika oder Kanada. Unter diesen Voraussetzungen war es nicht selbstverständlich, dass unsere Projekte auch weltweit erfolgreich wurden. Aber was die indische Szene in Deutschland damals ausmachte, das war die große Bandbreite an engagierten und talentierten Leuten. Wir hatten einfach Lust darauf, Projekte mit dem besonderen Desi-Flair an den Start zu bringen – nicht nur Musikveranstaltungen und Partys, auch Internetprojekte oder Sport Events wurden organisiert. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle Veranstalter*innen, Musiker*innen, Tänzer*innen und generell an alle, die dazu beigetragen haben, diese Zeit zu etwas Besonderem zu machen. Natürlich gab es auch Schattenseiten, die gibt es aber nahezu in jeder Szene. Auch wir wurden von Neid, Missgunst nicht verschont, es gab Schlägereien bei diversen Veranstaltungen und im theinder.net Forum gab es nicht nur positives Feedback. Hasskommentare sind definitiv kein gegenwärtiges Phänomen!

Warum gibt es die Szene heute nicht mehr oder muss man sie suchen?

Die Desiszene gibt es noch, aber in sehr reduzierter Form. Es fehlt einfach der Spirit und die Aufbruchsstimmung der Anfangsjahre. Es gibt wenig Leute, die sich noch engagieren, Veranstaltungen organisieren oder Projekte zum Laufen bringen.

Kann eine Seite wie theinder.net heute für Inder der 2. und 3. Generation und Indien-interessierte Menschen noch eine relevante Rolle einnehmen? Oder kommt man im Zeitalter der sozialen Medien anders an Informationen und in den Austausch mit Gleichgesinnten?

Wenn theinder.net sich komplett neu erfinden würde und sich neue Leute aus der Community engagieren würden, dann könnte das Projekt mit seiner 20-jährigen Geschichte weitere zwanzig Jahre überleben. Andererseits kann man so etwas nicht erzwingen und von Zeit zu Zeit muss man neue Wege gehen. Wichtig ist, dass die Erfahrungen, die man in den Projekten sammelt, in das kommende Projekt einfließen können. Wenn man so will, dann ist die za:media GmbH, die Marketingagentur, die ich und mein Geschäftspartner Qamar Zaman vor über 10 Jahren gegründet haben, das Resultat meiner bisherigen Projekte. Denn die gesammelten Erfahrungen und die über Jahre aufgebaute Vernetzung mit der indischen und anderen ethnischen Communities erlaubt uns eine gezielte Ansprache dieser Zielgruppen – neudeutsch bezeichnet man das heute als „Ethnomarketing“. Wir sind als Agentur mit vielen kulturellen Communities in Verbindung und haben diverse Projekte ins Leben gerufen. Grundsätzlich lebe ich aber schon immer nach dem Motto: „Einfach machen!“
Es geht nicht um das perfekte Ergebnis. Es geht darum, dass man erst mal anfängt. Einfach machen. Könnte ja gut werden (lacht).

Vielen Dank für dieses Gespräch!

Kristian Joshi
Kristian Joshi
Kristian Joshi ist Mitbegründer von theinder.net und zeichnet nach einigen Jahren Pause nun wieder für den visuellen Auftritt des Projektes verantwortlich. Nach langjähriger Tätigkeit in Design- und Werbeagenturen in Berlin und Hamburg ist er heute als freiberuflicher Art- und Kreativdirektor aktiv.

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