„Operation Sindoor“, die indische Vergeltungsaktion für den Terroranschlag im indisch-kaschmirischen Touristenort Pahalgam, bei der Indien mehrere mutmaßliche Terroristen-Basen auf pakistanischem Territorium beschossen hatte, hat einen besorgniserregenden Prozess in Gang gesetzt: Beide Länder scheinen über den aus früheren Konflikten bekannten gegenseitigen Beschuss mit Artillerie hinaus diesen Konflikt zu nutzen, um neue zeitgemäße Kriegstaktiken und Waffen zu testen. Insbesondere kommen das erste Mal in einem Konflikt der beiden Länder bewaffnete Drohnen exzessiv zum Einsatz.

Das Heikle an der Sache ist, dass diese Drohnen überwiegend im Ausland gefertigt sind, und zwar in zwei technologischen und ideologischen „Blöcken“, die in allen gegenwärtigen und wohl auch zukünftigen Konflikten auf der Welt miteinander konkurrieren: Der Westen und China. Und dabei spielen auch Russland und die Türkei eine nicht unerhebliche Rolle.
Seit dem frühen Morgen des 7. Mai, so wird berichtet, sollen massiv Drohnen von beiden Seiten in das jeweils andere Territorium eingedrungen sein.
Auf indischer Seite sollen dabei vor allem Drohnen israelischen Fabrikats, namentlich „Harop“- und „Harpy“-Modelle, zum Einsatz gekommen sein, bei denen es sich um sogenannte Loitering-Munition handelt, Kamikazedrohnen, die über ihrem Ziel lungern und ihm automatisch auflauern.
Pakistans Drohnen sind hauptsächlich chinesischen und – interessanterweise – türkischen Ursprungs.
Die Türkei, die schon seit einiger Zeit zunehmend strategische „Rosinenpickerei“ betreibt, indem sie sich als Nato-Land regelmäßig auch gegen den Westen positioniert, oder taktische Allianzen mit China, aber auch Russland eingeht, scheint auch in diesem Konflikt ihre speziellen geostrategischen Ziele zu verfolgen. In den letzten Jahren ist festzustellen, dass Erdogans Regierung in der Kaschmir-Frage immer deutlicher die Seite Pakistans einnimmt.
Über die zurückliegenden Jahrzehnte hinweg hat sich die Türkei dabei von einem neutralen Akteur zu einem aktiven Unterstützer Pakistans im Indien-Pakistan-Konflikt entwickelt. Während Ankara diplomatisch zur Deeskalation aufruft, verdeutlicht die militärische Zusammenarbeit mit Pakistan eine klare strategische Ausrichtung. Dies erschwert die Beziehungen zu Indien und beeinflusst die geopolitische Dynamik in Südasien.
Drohnenmodelle türkischer Entwicklung im pakistanischen Arsenal sind die Aufklärungs- und Kampfdrohne „Bayraktar“, von denen eine unbekannte Anzahl im Einsatz ist, sowie die „Anka“-Drohne, die unter Technologietransfer in Pakistan gefertigt werden soll.
Aus chinesischer Entwicklung stammen die Modelle „CH-4 Rainbow“ und „Wing Loong II“, beides Aufklärungs- und Kampfdrohnen.
Auch Modelle aus eigener Entwicklung werden auf pakistanischer Seite eingesetzt.
Das technologische Duell zwischen Westen und Osten zeigt sich auch bei den Kampfflugzeugen und Raketensystemen, die zum Einsatz kommen: Die Speerspitze der indischen Luftwaffe, der französische Rafale Kampfjet von Dassault Aviation, ist mit französischen, israelischen und indischen Systemen ausgestattet, während die fortschrittlichsten Kampfjets Pakistans, J-10 und JF-17, aus chinesischer Entwicklung mit chinesischen Komponenten ausgestattet sind. Diese Systeme und Komponenten umfassen Raketen, Radarsysteme, aber auch Störanlagen, sogenannte „Jammer“, die den Gegner orientierungslos machen sollen.
Pakistan war traditionell ein Verbündeter der USA und stand während des Kalten Krieges auf der Seite des Westens. Diese strategische Partnerschaft setzte sich auch während des „Kriegs gegen den Terror“ und des westlichen Engagements in Afghanistan fort.
In den letzten Jahrzehnten geriet Pakistan zunehmend unter den Einfluss Chinas. Es ist Teil der chinesischen „Belt and Road Initiative“ (BRI), der sogenannten „Neuen Seidenstraße“ – einem globalen Netzwerk aus Verkehrswegen, Häfen und Kommunikationsinfrastruktur, das mit chinesischen Investitionen errichtet wurde. Zudem bezieht Pakistan mittlerweile einen erheblichen Teil seiner modernen militärischen Ausrüstung aus China.
Für China ist der Konflikt zwischen seinen beiden südlichen Nachbarn also ein guter Test, um zu sehen, wie seine Waffensysteme gegen die des Rivalen Indien reüssieren
Allerdings hat das Land auch strategische Interessen in der Himalaya-Region und beansprucht Teile des indischen Unionsterritoriums Ladakh, namentlich unter anderem Aksai Chin, für sich. Ladakh war Teil des autonomen indischen Bundesstaates Jammu und Kaschmir, bis dieser 2019 aufgelöst und in zwei direkt von der Zentralregierung verwaltete Gebiete unterteilt wurde. Dabei geht es sowohl um militärisch-strategische Geografie, als auch um die Wasserversorgung von Milliarden Menschen. Denn fast alle größeren Ströme Südasiens entspringen im tibetischen Hochland oder in der Himalaya-Region.
China hat theoretisch den Hebel in der Hand, Indien das Wasser abzudrehen, was allerdings de facto derzeit technologisch noch nicht möglich ist. Ein Staudamm in Ost-Tibet am Oberlauf des Riesenstroms Brahmaputra ist jedoch bereits in Planung, wogegen Indien heftig protestiert.
Den seit 1960 bestehenden Vertrag zwischen Indien und Pakistan über die Aufteilung des Wassers des Indus und seiner Zuflüsse, deren Oberläufe durch indisches Gebiet verlaufen, hat Indien als Antwort auf den Terroranschlag in Pahalgam bereits gekündigt. Sollte Indien irgendwann in der Lage sein, den Zufluss zum Indus signifikant zu beeinflussen, wäre Pakistans Wasserversorgung vollständig Spielball des großen Nachbarn.
Verteidigungstechnisch hatte Indien in der Vergangenheit den Großteil seiner Waffensysteme aus Russland bezogen und viele moderne Systeme gemeinsam mit Russland entwickelt, z. B. den Überschallflugkörper BrahMos II oder das Rückgrat der indischen Luftwaffe – die Sukhoi Su-30 MKI, eine stark an indische Anforderungen angepasste Variante, die unter Lizenz in Indien gefertigt wird.
In den letzten zehn Jahren ist das russische Inventar bei den Streitkräften allerdings von etwa 70% auf nur noch rund 50% gesunken, da Indien mittlerweile auch verstärkt US-amerikanische Waffensysteme erwirbt, darunter Transportflugzeuge, Hubschrauber und Überwachungsdrohnen – und Systeme wie die 36 Rafale Kampfjets aus Frankreich. Zudem besteht mit Israel eine längere Tradition der Zusammenarbeit im Rüstungssektor.
Darüberhinaus ist Indien bestrebt, den Anteil indigener Technologie im Verteidigungsbereich zu erhöhen. Es entwickelt unter anderem eigene Raketen, Radare, Flugzeuge, Hubschrauber, Flugzeugkomponenten und Panzer. So sind die indischen Akash-Raketensysteme aktiver Teil des indischen Abwehrschirms gegen feindliche Flugziele und kommen derzeit auch gegen pakistanische Marschflugkörper und Drohnen zum Einsatz.
Der aktuelle Konflikt zwischen Indien und Pakistan stellt eine gefährliche Zuspitzung in einem seit Jahrzehnten angespannten Verhältnis dar – nicht nur militärisch, sondern auch geopolitisch und technologisch. Erstmals treten bewaffnete Drohnen, elektronische Kriegsführung und hochentwickelte Raketensysteme beider Seiten in einem direkten Vergleich auf, eingebettet in ein umfassenderes Ringen globaler Einflusszonen. Der Krieg ist damit nicht nur ein regionaler Krisenherd, sondern auch ein Testfeld für die militärisch-technologische Konkurrenz westlicher, chinesischer, russischer und türkischer Systeme – und könnte, ähnlich wie der Ukrainekrieg, als Katalysator einer geostrategischen Neuordnung wirken.
Das alles vor dem Hintergrund, dass beide Staaten Atommächte sind.
Quellen: reuters.com, aljazeera.com, thehindu.com, ndtv.com, dw.com, eurasiantimes.com, ddnews.gov.in, wsj.com, sipri.org, csis.org, orfonline.org