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Sa., 14. Juni, 2025
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Kommentar: Medienethik im Air-India-Drama

Am 12. Juni 2025 ereignete sich über Ahmedabad eine Tragödie, die das Land tief erschütterte: Eine Boeing 787-8 der Air India, Flug AI171, stürzte kurz nach dem Start auf dem Weg nach London ab. Augenzeugen berichten von Rauch und Triebwerksproblemen, bevor das Flugzeug unkontrolliert in ein Gebäude krachte. An Bord waren 230 Passagiere und 12 Besatzungsmitglieder. Die Zahl der Todesopfer beläuft sich derzeit auf 269. Von den Fluginsassen überlebte einzig ein 24-jähriger Student, der sich zum Zeitpunkt des Unglücks nahe einem Notausgang befand und auf spektakuläre Weise dem Tod entkam. Die Unfallursache ist Gegenstand laufender Ermittlungen, die Blackbox wurde geborgen.

Die internationale Presse berichtete sachlich und respektvoll. Doch was in Indien folgte, hinterlässt einen bitteren Beigeschmack: Das mediale Echo offenbarte eine erschreckende Mischung aus Sensationsgier und pietätloser Nahaufnahme des menschlichen Leids.

Binnen Stunden nach dem Unglück stürzten sich Medienvertreter auf den einzigen Überlebenden – oft mit laufender Kamera und ohne erkennbaren Respekt für seine Genesung oder Privatsphäre. Am Flughafen wurden Angehörige der Opfer in Momenten größter Verzweiflung gezeigt, ihre Tränen und Schmerz wurden zum öffentlichen Spektakel. Private Social-Media-Beiträge der Verunglückten, darunter intime Selfies kurz vor dem Boarding, zirkulierten in Endlosschleifen, begleitet von reißerischen Schlagzeilen, die weniger informieren als voyeuristisch berühren wollten.

Diese Form der Berichterstattung bewegt sich zwar formal innerhalb der gesetzlichen Grenzen – doch sie wirft eine elementare Frage auf: Wann endet echte Anteilnahme, wann beginnt die Vermarktung von Leid? Wo sollte die mediale Verantwortung stehen?

Internationale Beobachter sprechen von einer „medialen Enthemmung“, die in Katastrophenzeiten nicht nur Betroffene belastet, sondern auch den Kern journalistischer Ethik unterminiert. Die Balance zwischen Informationspflicht und Menschlichkeit scheint verloren gegangen.

Es ist an der Zeit, dass die Medien – vor allem in solch sensiblen Momenten – innehalten und reflektieren: Journalismus darf nicht zur Bühne für voyeuristische Spektakel verkommen, sondern muss seiner Aufgabe als Hüter von Würde und Respekt gerecht werden.

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Foto: (c) Umang Dutt

Bijon Chatterji
Bijon Chatterji
Bijon Chatterji (*1978) ist Mitbegründer und Chefredakteur von theinder.net. Er studierte Biologie in Braunschweig, promovierte, forschte und lehrte in Hannover. Heute ist er als Global Lead für ein Biotechnologieunternehmen tätig und verantwortet dort u.a. den Bereich Indien. Von 2012-16 war Bijon Mitglied der Auswahlkommission für das "Deutsch-Indische Klassenzimmer" (Robert Bosch Stiftung / Goethe-Institut). Seit 2018 ist er Mitorganisator des "Hanseatic India Colloquium" und nahm 2023 auf Einladung der Bundesintegrationsbeauftragten erstmals an Dialoggesprächen im Bundeskanzleramt teil.

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