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Mi., 13. August, 2025
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Indische Kriegsgräber in Brandenburg

Die Antwort beginnt an der Westfront. Zwischen 1914 und 1918 kämpften rund 160.000 Soldaten aus dem heutigen Indien in Frankreich und Belgien an der Seite britischer Truppen, insbesondere Einheiten der Lahore- und Meerut-Division. Die Verluste waren hoch: Krankheiten, Unterversorgung und der erbarmungslose Stellungskrieg forderten Tausende Opfer. Viele gerieten in deutsche Gefangenschaft, Muslime, Hindus und Sikhs, die in speziell eingerichteten Lagern in Deutschland untergebracht wurden. Eines der bekanntesten war das „Halbmondlager“ bei Zossen. Dort sollten muslimische Gefangene nicht nur militärisch, sondern auch religiös und kulturell betreut werden. Gleichzeitig diente das Lager deutschen Propagandazwecken. Mit religiösen Symbolen und Predigern versuchte man, die Gefangenen für antikoloniale Aktivitäten zu gewinnen und gegen die britische Kolonialherrschaft aufzuwiegeln. Dieser Versuch blieb weitgehend erfolglos.

Die Lebensbedingungen in den Lagern waren hart. Zwar entsprach die Versorgung den Standards der Genfer Konventionen, doch schlechte Hygiene, mangelhafte medizinische Betreuung und die psychische Belastung führten zu zahlreichen Todesfällen. Viele litten an Tuberkulose, Ruhr oder Grippe. Die Isolation, sprachliche und kulturelle Barrieren sowie die Ungewissheit über den Kriegsverlauf verstärkten das Leid. Zwar wurde teilweise auf religiöse Bedürfnisse Rücksicht genommen, doch die Umstände blieben belastend.

Zwischen 1915 und 1917 starben 206 dieser Gefangenen an den Folgen ihrer Haft. Zunächst auf dem örtlichen Militärfriedhof in Zehrensdorf bestattet, wurden ihre Gräber nach dem Krieg von der Commonwealth War Graves Commission (CWGC) übernommen. Diese errichtete einen Ehrenfriedhof mit weißem Kalksandstein, einem zentralen Gedenkstein und Symbolen verschiedener Glaubensrichtungen. Manche Grabsteine tragen muslimische Inschriften wie „huwal gaffur“ („Er ist der Verzeihende“). Anders als auf vielen Kriegsgräberstätten wird hier kein militärischer Ruhm zelebriert. Vielmehr ist der Ort dem stillen Gedenken und dem universellen menschlichen Verlust gewidmet.

Doch dieser Ort bleibt nicht nur ein Ort der Erinnerung. Er wirft auch kritische Fragen auf. Die indischen Soldaten kämpften nicht freiwillig, sondern als Teil einer kolonialen Armee in einem Krieg, dessen Ursachen und Ziele fern ihrer Lebensrealität lagen. Dass sie in einem fremden Land gefangen genommen wurden und dort starben, ist Ausdruck eines globalen Machtgefüges, in dem sie kaum Handlungsspielraum hatten. Auch die Rolle Deutschlands war ideologisch geprägt. Im Halbmondlager wurden gezielt muslimische Gefangene angesprochen, um sie gegen das Empire zu mobilisieren: ein Aspekt, der heute kaum im öffentlichen Bewusstsein verankert ist.

Die jahrzehntelange Vernachlässigung des Friedhofs während des Kalten Krieges unterstreicht, wie wenig Aufmerksamkeit diesen kolonialen Kriegstoten lange zuteilwurde, weder in Deutschland noch in Großbritannien oder Indien. Das Gelände lag innerhalb eines sowjetischen Militärsperrgebiets und war für die CWGC nicht zugänglich. Erst nach dem Abzug der sowjetischen Truppen und der Wiedervereinigung konnte der Friedhof rekonstruiert werden. Seit 2005 ist er wieder öffentlich zugänglich, dank der Zusammenarbeit zwischen lokalen Behörden, dem Land Brandenburg und der CWGC. Zwischenzeitlich waren die Namen der Toten seit 1964 am indischen Memorial in Neuve-Chapelle in Frankreich verzeichnet, wo sie als „in deutscher Gefangenschaft verstorben“ gelten.

Heute liegt der Friedhof still, abgelegen, beinahe vergessen. Und doch erzählt er von einem globalen Krieg, dessen Frontlinien nicht nur in Europa verliefen, sondern auch die Kolonien tief erfassten. Der Zehrensdorf Indian Cemetery ist ein stiller Zeuge einer kolonialen Kriegsgeschichte, die in Europa nur selten sichtbar gemacht wird. Er erinnert daran, dass auch in Deutschland Opfer eines Krieges ruhen, der nicht der ihre war. Ihre Namen und Geschichten leben weiter, nicht durch Denkmäler des Triumphs, sondern durch Orte des stillen Erinnerns.

Doch Sichtbarkeit allein genügt nicht. Ohne kritische historische Einordnung droht auch dieser Ort, in symbolischer Bedeutung zu erstarren. Der Friedhof verweist auf die Komplexität des Ersten Weltkriegs, auf die Unschärfe von Täter- und Opferrollen im kolonialen Kontext. Er lädt dazu ein, Verantwortung und Schuld differenziert zu betrachten, jenseits einfacher Narrative. Gefragt ist eine bewusste, kontinuierliche Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit im europäischen Gedächtnisraum.

Foto: (c) Foswiki

Weiterführende Links und Quellenangaben:

Choti Gandhawa
Choti Gandhawa
Choti Gandhawa ist Student der Kommunikationswissenschaften und seit 2021 als freier Redakteur für theinder.net tätig. Seine Schwerpunkte sind aktuelle Tages- und Wirtschaftspolitik sowie Postkolonialismus.

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