(nw) Am Mittwoch ist das 21. Indische Filmfestival in Stuttgart mit dem Eröffnungsfilm „Three Sons of Narayani“ (orig. „Narayaneente Moonnaanmakkal“), dem Debütfilm des während der Filmvorführung als Ehrengast anwesenden, südindischen Regisseurs Sharan Venugpal, gestartet. Zur Eröffnung durch den Festivalleiter Oliver Mahn, der Kuratorin Therese Hayes und den per Videobotschaft zugeschalteten Ersten Bürgermeister Stuttgarts Dr. Fabian Mayer waren rund 120 Besucher, unter ihnen auch der ehemalige Hauptsponsor Andreas Lapp, erschienen. Nicola Westermann ist für uns vor Ort.
Der Film erzählt die Geschichte der drei Brüder Sethu, Bhaskar und Vishwan, die sich angesichts des bevorstehenden Todes der Mutter nach langer Zeit im elterlichen Haus wiedertreffen. Diese war kurz zuvor von den Ärzten aus dem Krankenhaus entlassen worden, um ihre letzten Stunden im Kreis der Familie zu verbringen. Die kontemplative Ruhe der Sterbesituation steht in scharfem Kontrast zu dem uralten, schon nach kurzer Zeit wiedereskalierenden Familienstreit. Bhaskar, das schwarze Schaf der Familie, kommt zum ersten Mal mit seiner muslimischen Ehefrau nach Hause, nachdem er vor 18 Jahren wegen dieser Liebe und dem darauf beruhenden Konflikt nach Großbritannien ausgewandert war. Viel Zeit ist seitdem vergangen. Trotzdem ist die Ablehnung gegenüber dem muslimischen Hintergrund der Ehefrau Bhaskars noch zu spüren. Nicht nur in der Familie, sondern auch in der Bevölkerung. Nur Dank intensiver Überredungskünste wird sie auf das Festivalgelände des Hindufestes Kaliyattam, das die Familie besucht, gelassen. Die Problematik muslimisch-hinduistischer Ehen, die im Publikum großes Interesse auslöste, dient jedoch nur der Dramaturgie und steht nicht im Mittelpunkt des Films. „Es brauchte einen triftigen Grund, warum Bhaskar nach Großbritannien ausgewandert war“, so Venugopal in der Publikumsdiskussion.
Im Mittelpunkt des Films stehen vielmehr die Beziehungen unter den Brüdern, die nach und nach entfaltet werden. Sethu, der Bhasker gegenüber vorgibt, die Vergangenheit und damit den Streit mit dem Bruder hinter sich gelassen zu haben („Sonst wärst du heute nicht hier“), hielt die Familie und deren Besitz zusammen. Er hat nach dem Tod des Vaters die Rolle des Familienoberhaupts übernommen und hält die Macht in der Familie, auch in Fragen des Erbes. Er überschüttet Bhaskar, als dieser seinen Erbteil einfordert, mit Schuldvorwürfen. Nicht nur habe Bhaskar damals freiwillig auf sein Erbe verzichtet, er habe vor allem mit dem Familienstreit den Herzinfarkt des Vaters verursacht. Der sich zuspitzende Konflikt wird schnell so unerträglich, dass beide sich wünschen, der Tod der Mutter möge sich beschleunigen.
Vishwan, der dritte Bruder, ist unparteiisch und nicht verheiratet, da die angebahnte arrangierte Ehe wegen des Familienstreits und den sich damals überschlagenden Ereignissen ausgefallen war. Er hat jedoch eine heimliche Liaison und noch ein paar weitere Geheimisse wie man im Film herausfindet. Der sympathische Hüne mit Kochkünsten, der zu seinem eigenen Ärger von den Brüdern völlig unterschätzt als „dumm“ tituliert wird, ist recht tolerant, insbesondere dem Sohn und der Tochter Bhaskars und Sethus gegenüber, die sich – völlig unbeeindruckt von den elterlichen Querelen – ineinander verlieben und damit einen schönen und erfrischenden Gegenpart zur Haupthandlung bilden. Als die beiden von Sethu knutschend in ihrem Zimmer überrascht werden, eskaliert die Situation vollends und Bhaskar reist mit Frau und Sohn kurzerhand ab.
Der Film überzeugt vor allem mit seiner Glaubwürdigkeit und den in der Tiefe ausgearbeiteten Charakteren und detailreicherzählten Handlungssträngen. Bereits seit 2018, so berichteteder Regisseur, habe er kurze Geschichten gesammelt, die sich schließlich zu einem Skript des Films verdichtet hätten. Die Charaktere und sogar deren Namen seien sehr realitätsnah den Menschen seiner Heimatregion in Kerala nachempfunden.
Kurz nach Bhaskars Abreise erreicht ihn telefonisch die Nachricht vom Tod der Mutter und er dreht mit dem Auto um. Gibt es noch eine Chance auf Versöhnung für die Brüder? Der Regisseur des Films lässt es offen!