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Sa, 12. Oktober, 2024
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Indien und Deutschland: Jaishankars Agenda in Berlin

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Investitionen

Ein zentraler Schwerpunkt des Besuchs war die Stärkung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Indien und Deutschland. Jaishankar präsentierte durchaus beeindruckende Wirtschaftsdaten, die Indiens rapide Entwicklung und seine wachsende Bedeutung als globaler Wirtschaftsmotor unterstrichen. Mit einer Wirtschaftsleistung von fast vier Billionen US-Dollar und einem erwarteten Wachstum von acht Prozent auf Jahre hinaus, positioniert sich Indien als attraktiver Markt für Investitionen. Der Ausbau der Infrastruktur ist dabei ein wichtiger Bestandteil dieser Wachstumsstrategie: Jährlich werden neue Flughäfen, U-Bahn-Systeme, Autobahnen und Eisenbahnstrecken eröffnet.

    Indien bietet damit wachsende Märkte für deutsche Unternehmen, insbesondere in den Bereichen erneuerbare Energien, Elektromobilität und Luftfahrtindustrie. Jaishankar betonte, dass Indien nicht nur als Absatzmarkt, sondern auch als Produktionsstandort an Bedeutung gewinne. Deutsche Unternehmen könnten von Indiens „verlässlichen Lieferketten“ profitieren – ein subtiler Verweis auf die Herausforderungen, die mit dem Handel mit China verbunden sind, das lange Zeit Deutschlands wichtigster Handelspartner war. Gleichzeitig bestünden auf beiden Seiten Einigkeit darüber, dass das Handels- und Investitionsvolumen zwischen Indien, Deutschland und der EU erheblich gesteigert werden könne.

    Sicherheits- und Verteidigungskooperation

    Ein weiteres zentrales Thema des Besuchs war die sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen Indien und Deutschland. Jaishankar wies auf das wachsende Interesse Indiens an einer verstärkten Kooperation im Verteidigungsbereich hin. Besonders im Bereich der Rüstungsindustrie möchte Indien die Zusammenarbeit mit westlichen Partnern wie Deutschland ausbauen. Dies ist besonders vor dem Hintergrund der zunehmenden Modernisierung der indischen Streitkräfte relevant, die in den vergangenen Jahren vor allem durch Kooperationen mit den USA und Frankreich unterstützt wurde.

      Deutschland erhofft sich, Teil dieser Modernisierungsbemühungen zu werden und sieht Potenzial insbesondere im Bereich der U-Boot-Produktion. Während Indien traditionell eng mit Russland im Verteidigungsbereich zusammengearbeitet hat, wächst nun das Interesse, diese Abhängigkeit zu reduzieren – auch aufgrund des anhaltenden Ukraine-Konflikts. Beide Seiten äußerten ihren Willen, die sicherheitspolitische und verteidigungstechnische Zusammenarbeit in den kommenden Jahren zu intensivieren.

      Geopolitische Entwicklungen im Indo-Pazifik

      Die geopolitische Lage im Indo-Pazifik war ein weiterer zentraler Punkt auf der Agenda des Außenministers. Jaishankar betonte die strategische Bedeutung der Region und rief Deutschland dazu auf, sich stärker in die Entwicklungen dort einzubringen. Die geopolitischen und geoökonomischen Interessen Indiens und Deutschlands überschneiden sich zunehmend, was die Basis für eine intensivere Zusammenarbeit in dieser Region legt. Besonders in Zeiten, in denen China eine immer stärkere Rolle im Indo-Pazifik spielt, sei es für Indien von Bedeutung, verlässliche Partner zu haben. Für Deutschland könnte sich ein Eintritt in das Spannungsfeld zwischen Indien und China allerdings als problematisch erweisen und muss auf die Verpflichtungen gegenüber EU und NATO achten.

        Deutschland hat dennoch bereits erste Schritte unternommen, um seine Präsenz in der Region zu verstärken. Die deutsche Luftwaffe hat kürzlich an einer gemeinsamen Übung teilgenommen, und die Marine plant einen Hafenbesuch der Fregatte „Baden-Württemberg“, die sich aktuell auf einer Reise im Indo-Pazifik befindet. Diese Maßnahmen sollen die sicherheitspolitische Kooperation zwischen beiden Ländern in der Region weiter stärken und Deutschland als wichtigen Akteur im Indo-Pazifik positionieren.

        Ukraine-Krieg und internationale Diplomatie

        Der Ukraine-Krieg und seine globalen Auswirkungen wurden ebenfalls ausführlich besprochen. Jaishankar vertrat die Position Indiens, dass Differenzen zwischen Staaten nicht durch militärische Konflikte gelöst werden können. Indien setzt auf diplomatische Lösungsansätze und betonte, dass Russland in mögliche Friedensverhandlungen eingebunden werden müsse. Diese Haltung steht in einem Kontrast zur deutschen Position, die klar den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj unterstützt und russische Verhandlungen kritisch sieht, insbesondere angesichts der aktuellen Verweigerung Moskaus.

          Trotz dieser Differenzen betonten beide Seiten die Notwendigkeit eines Dialogs und die Suche nach langfristigen Lösungen. Indien positioniert sich hierbei als diplomatischer Vermittler, was auch mit seiner Rolle in multilateralen Formaten wie der BRICS-Gruppe zusammenhängt, in der Russland ein wichtiger Akteur ist. Jaishankar erwähnte, dass Indien mögliche weitere diplomatische Konferenzen zu Friedensgesprächen unterstützen könnte, ließ aber offen, ob dies in naher Zukunft geschehen werde.

          Bildung und Mobilitätspartnerschaften

          Neben den wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Themen wurden auch Fragen der Bildung und Fachkräfteentwicklung erörtert. Annalena Baerbock hob hervor, dass mittlerweile rund 50.000 indische Studierende an deutschen Universitäten eingeschrieben sind – eine Zahl, die Indien zur größten Gruppe ausländischer Studierender in Deutschland macht. Zudem ist die Zahl der indischen Fachkräfte in Deutschland in den letzten Jahren um 25 Prozent gestiegen.

            Diese Entwicklungen sind Teil der im Jahr 2022 initiierten Migrations- und Mobilitätspartnerschaft zwischen den beiden Ländern, die darauf abzielt, den Austausch von Fachkräften und Studierenden weiter zu fördern. Beide Seiten äußerten ihre Zufriedenheit mit dem bisherigen Verlauf der Partnerschaft und sehen weiteres Potenzial für eine Ausweitung der Zusammenarbeit in diesem Bereich.

            Vorbereitung des deutsch-indischen Regierungstreffens

            Ein weiterer wichtiger Punkt auf Jaishankars Agenda war die Vorbereitung des 7. deutsch-indischen Regierungstreffens, das im Oktober 2024 in Neu-Delhi stattfinden wird. Dieses Treffen wird von Indiens Premierminister Narendra Modi und dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz geleitet und dient der weiteren Vertiefung der bilateralen Beziehungen in einer Vielzahl von Bereichen. Neben den bereits genannten Themen wie Wirtschaft, Verteidigung und Bildung sollen auch Fragen der Technologiekooperation, der erneuerbaren Energien und der Nachhaltigkeit behandelt werden.

              Beide Seiten zeigten sich zufrieden mit den Fortschritten in der strategischen Partnerschaft, die seit dem Jahr 2000 besteht. Im Jahr 2025 wird das 25-jährige Jubiläum dieser Partnerschaft gefeiert, und das bevorstehende Regierungstreffen soll die Weichen für die kommenden Jahre stellen.

              Politische Gespräche mit deutschen Spitzenpolitikern

              Neben den offiziellen Treffen mit Baerbock und Scholz führte Jaishankar auch Gespräche mit weiteren politischen Führungspersönlichkeiten in Deutschland. Dazu gehörten Jens Plötner, der außen- und sicherheitspolitische Berater des Bundeskanzlers, sowie Verteidigungsminister Boris Pistorius. Beide Seiten bekräftigten ihr Interesse an einer weiteren Intensivierung der Zusammenarbeit in sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen.

                Darüber hinaus traf sich Jaishankar auch mit Friedrich Merz, dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und anderen Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Diese Gespräche sollten der Stärkung der parlamentarischen Beziehungen und der Förderung des bilateralen Dialogs auf politischer Ebene dienen.

                Weitere Kritikpunkte: Investitionen, Lieferketten, Menschenrechte

                Obwohl Indien als attraktiver Wachstumsmarkt präsentiert wird, gibt es Herausforderungen bei der Umsetzung von Investitionen. Bürokratische Hürden, regulatorische Unsicherheiten und langsame Reformen könnten die Erwartungen der deutschen Unternehmen bremsen. Deutschland könnte zudem Schwierigkeiten haben, mit den schnellen infrastrukturellen Fortschritten Indiens Schritt zu halten, die Jaishankar als beeindruckende Wachstumsindikatoren hervorhob.

                Indien positioniert sich als verlässlicher Partner für Lieferketten, insbesondere in der digitalen Ära. Doch hier besteht ein kritisches Spannungsverhältnis: Deutschland und die EU sind noch stark von China abhängig, während Indien versucht, sich als alternative Technologiedrehscheibe zu präsentieren. Die Verlagerung der Lieferketten von China nach Indien könnte politisch und wirtschaftlich riskant sein und erfordert lange Anpassungsprozesse auf beiden Seiten.

                Deutschland legt großen Wert auf Menschenrechte und Demokratie in seinen Außenbeziehungen. Indiens innenpolitische Situation, einschließlich der Behandlung von Minderheiten und politischer Oppositionskräfte, könnte potenziell zu Spannungen führen. Zwar betonen beide Länder ihre strategische Partnerschaft, doch politische Differenzen in Fragen der inneren Demokratie könnten in Zukunft zu einer Herausforderung in den Beziehungen werden.

                Der Besuch von Außenminister Jaishankar in Berlin verdeutlichte das breite Spektrum der bilateralen Beziehungen zwischen Indien und Deutschland. Wirtschaftliche Zusammenarbeit, sicherheitspolitische Interessen, die geopolitische Lage im Indo-Pazifik sowie Fragen der Bildung und Mobilität standen im Zentrum der Gespräche. Beide Länder betonten ihre Bereitschaft, die strategische Partnerschaft weiter auszubauen, auch wenn sie in einigen Bereichen, wie dem Ukraine-Konflikt, unterschiedlicher Ansicht sind. Der Besuch legte die Grundlage für das kommende Regierungstreffen und unterstrich die Bedeutung Indiens als globaler Partner für Deutschland in einer zunehmend multipolaren Welt.

                Foto: (c) Ministry of External Affairs, India

                Choti Gandhawa
                Choti Gandhawa
                Choti Gandhawa ist Student der Kommunikationswissenschaften und seit 2021 als freier Redakteur für theinder.net tätig. Seine Schwerpunkte sind aktuelle Tages- und Wirtschaftspolitik sowie Postkolonialismus.

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