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Fr, 29. März, 2024
StartGeneration 2.0Indischer Hiphop in Deutschland: "Indertat, da geht so Einiges!"

Indischer Hiphop in Deutschland: "Indertat, da geht so Einiges!"

(kjo) Inder sind aktiv. Musikalisch bisher primär in Großbritannien, wo es die asiatische Untergrundszene auch über den Tellerrand der Insel hinaus zu beachtlichem Bekanntheitsgrad und Ruhm gebracht hat. Das Geheimnis der unter dem Hauptbegriff ‚Asian Underground‘ zusammengefassten Stile ist die Fusion von indischen und neuzeitlich-urbanen Musikelementen. Doch eine parallele Entwicklung in diese Richtung lässt sich auch in Deutschland ausmachen: Indo-deutscher Hiphop. Inder und Hiphop? Gibt’s das, geht das? Indertat! Diptesh MC geht steil mit deutschen Raps, begleitet von fetten Beats mit Elementen indischer Filmmusik und verpackt in Texte mit politischem und erlebnisbasiertem Inhalt.

Diptesh, du bist Rapper deutscher Zunge. Seit wann bist du am Mikro aktiv und wo sind deine musikalischen Wurzeln?
Ich befasse mich künstlerisch seit 12 Jahren mit dem Rap-Gesang. Meine musikalischen Wurzeln liegen im US-Rap á la Public Enemy, Run DMC und L.A.D (Last Asiatic Desciples).

Wer sind deine Vorbilder?
Musik lebt in der Inspiration. Die ersten Musiker fanden diese wohl in der freien Natur, die im wesentlichen unsere Gemütswelt bewegt. Beispielsweise erfüllen uns die Gesänge diverser Vögel mit Freud und Leid, und wir umschreiben unsere Stimmung in der Musik. Musik ist im Grunde genommen der Atem, den unsere Seele in die Welt lebt. Auf diese Weise harmonieren wir mit dem Universum. Mein Vorbild ist daher Gott.
Du machst deutschen Hiphop mit sozialkritischen Texten. Siehst du dich als eine Art Vorreiter auf dem Gebiet? Was hältst du von der deutschen Hiphopszene?
Im Vergleich zu der amerikanischen Hiphopszene ist die deutsche noch sehr ursprünglich. Die US-Szene ist wie ein ausgewachsener Mensch, der das Kind, die wesentliche Neugier, in sich verloren hat. Die deutsche Hiphopszene ist noch sehr jung, doch droht sie auch zum Kulturgut zu werden. Ich halte mich nicht als Vorreiter des sozialkritischen Raps. Vor mir haben bereits die Fresh Familee und Advanced Chemistry respektvolle Pionierarbeit geleistet. Ich sehe mich jedoch als Vorreiter des radikal subversiven Deutschraps. Es ist nicht immer einfach, seine Musik kompromisslos in die Medienwelt zu setzen, aber ich liebe nun mal die Musik zu sehr. Sie ist mein Leben, mein Ausdruck. Sie repräsentiert meine Wahrheit und nicht die Medienkultur.
Seit Liedern wie ‚Adriano‘ von Brothers Keepers oder ‚Weck mich auf‘ von Samy Deluxe scheint es plötzlich eine Art Mode geworden zu sein, politische oder gegen das System gerichtete Texte an den Start zu bringen. Inwiefern siehst du das auch so und was hältst du von dem Anspruch des ‚politischen deutschen Hiphop‘?

Im Grunde genommen sind wir doch alle Produkte des Angleichungssystems der Industrie. Wenn du beispielsweise Löcher in deine Jeans schneidest, um etwas Individuelles zu verkörpern, wirst du dieselbe Hose einige Monate später bei H&M sehen. So ist das auch mit dem politischen Rap. Der Polit-Rap ist zur Mode geworden. Dennoch finde ich es als Farbiger eine positive Entwicklung, solche Themen in einer größeren Dimension diskutieren zu können. Respekt an all diejenigen, die trotz aller Kritik diese Entwicklung in Gang gesetzt haben.

Inwieweit wirken deine indischen Wurzeln auf dein musikalisches Schaffen ein?

Musik ist der Ausdruck meines Lebens, und ich reflektiere meine indische Kultur im Rap. Sie ist die Quelle meiner Schöpfung.

Holst du dir dabei Inspiration aus der britisch-asiatischen Untergrundszene?

Ich liebe den Asian Underground, da in dieser urbanen Kunstform der Geist meiner kulturellen Wurzeln liegt. Es gibt sicherlich den einen oder anderen musikalischen Moment im Asian Underground, welcher mich im Zusammenhang mit meiner Musik tief bewegt.

Könntest du dir vorstellen, von den gängigen Hiphop-Takten Abstand zu nehmen und – auf vielleicht experimenteller Basis – zu Dub Klängen oder Breakbeats zu MCen, wie etwa Asian Dub Foundation?

Ich habe bereits das eine oder andere Projekt mit Breakbeats unternommen. Es sind jedoch immer Ausflüge in andere Gefilde. Das Fundament für meine Lyrics bleibt der klassische Rapbeat.

Denkst du, es könnte sich eine Art deutsche Asian Underground Szene entwickeln? Was wäre das Deutsche daran? Wäre sie nur ein Abklatsch der britischen AU-Szene?

Ich habe vor sieben Jahren einen deutschsprachigen Rapstyle entworfen, mit der ich in ziemlich hoher Geschwindigkeit Worte auf Beats setze. Dieser Style ist auch hervorragend auf Drum ’n Bass Breakbeats zugeschnitten. Meiner Meinung nach ist eine deutsche Asian Underground-Szene nur mit diesem Style umsetzbar. Es wäre also etwas Neues.

Das Hiphop-Ding an sich ist eine Kunstform, die schon darin erfüllt wird, dass man fette Reime am Start hat, mit Wortwitz aufwartet oder ausgefuchste Disse bringt… Bei politischen Texten ist das oftmals schwierig zu erreichen. Inwieweit leidet da die Qualität des Raps?

Das kommt ganz auf die Fertigkeiten des Künstlers an. In der Kunst kommt es darauf an, auf welche Weise man etwas ausdrückt. Poesie ist die Auseinandersetzung mit Seelenzuständen, und je tiefer man einen Zusammenhang umschreiben kann, desto besser. 

Warum rappst du auf deutsch?


Damit mich die Leute hier verstehen. 

Viele deutsche Rapper sind ausländischer Herkunft. Tragen sie dadurch, dass sie sich der deutschen Sprache bedienen, zur Bildung eines ’neuen deutschen Bewusstseins‘ bei?


Auf jeden Fall. Sprache ist Bewusstsein und in der Reflexion entstanden. In den Worten ist der Geist einer Kultur beseelt. Wir umschreiben einen Sachverhalt, um es zu beschreiben. Wenn wir es beschrieben haben, fassen wir alles zu einem Wort zusammen und leben das Bewusstsein. So entsteht Kultur. Wenn sich nun Menschen mit ausländischem Kulturhintergrund der deutschen Sprache bedienen, Zusammenhänge auf der Basis ihrer Kultur umschreiben, entsteht sicherlich ein neues Bewusstsein.

Deine Eltern stammen aus dem indischen Bundesstaat Bengalen. Rappst du auch auf Bangla, oder hast du es vor?

Wenn ich auf Bangla rappen würde, wäre ich wohl auf die gleiche Stufe zu stellen wie „Tic Tac Toe“ (lacht). Ich habe im Zusammenarbeit mit einer Tante von mir einen bengalischen Text ausgearbeitet, mit dem ich sehr zufrieden bin. Klar, ich habe vor, auf Bangla zu rappen… und irgendwann vielleicht auf Hindi, das ich in einem kostenlosen Hindikurs in Duisburg erlerne.

Siehst du eine Zukunft für Hiphop in indischen Sprachen? z.B. auch als Mittel, den Indern eine Souveränität ihrer eigenen Muttersprache gegenüber zu geben…?

Na klar. Und ich setze mich dafür ein!

Hiphop in der eigenen Sprache. Ist das auch ein Stück Widerstand gegen Globalisierung und angloamerikanischen Sprachimperialismus?

Sicherlich. Englisch ist in meinen Augen eine imperialistische Sprache, solange das Nord-Süd-Gefälle existiert.

An wen richtet sich deine Musik? Was ist ihr Inhalt, welche Themen behandelst du in deinen Texten?

Meine Musik richtet sich an die gesamte Menschheit. Ich möchte Frieden schaffen, provokativ dem System entgegenwirken und die südasiatische Community in Deutschland ansprechen. Meine Musik ist die Reflexion mit dem Universum, und meine indische Kultur ist die Basis dieser Philosophie, die ich im Rap zum Ausdruck bringe. Ich habe selbstverständlich auch Lyrics für die Ladies, vor denen ich großen Respekt habe. Wir kommen letztendlich alle aus dem Bauch einer Frau. Musikalisch lasse ich indische Filmmusik-Themen mit Rapbeats fusionieren.

Du trittst unter dem Label ‚Indertat‘ auf. In der Tat ein ausgefuchster Name. Erzähl kurz was zu der Sache…

Die Indertat bin ich. Der Name sagt aus, dass die Tat eines Inders in der Tat agiert. Das Leben ist ein Lernprozess durch Handlung, und auf diese Weise schreibt der Mensch Geschichte. Ich schreibe Geschichte mit Geschichten, wie das Leben schreibt, schreib ich und trage meinen Teil für die Menschheit bei.

Wo kann man dich demnächst zu hören bekommen?

Da ich Livemusiker bin, erstmal auf meinen Auftritten, die ja von euch bekanntgegeben werden (Anm. d. Red.: 29.6.02, „Latin goes India“, Wuppertal). Ansonsten könnt ihr euch von meiner Site aus Tracks downloaden. Jedoch sind es vorerst nur alte Tracks, die meinen vorherigen Stil repräsentieren. In meinen neuen Stil könnt Ihr in einigen Snippets reinhören (Anm. d. Red.: Links derzeit leider inaktiv).

Vielen Dank für dieses Gespräch!

War mir eine Freude! Peace and Love to da community and respect our women, the mothers of India!

Diptesh ist bereits auf drei CDs zu hören, die noch aus der Zeit datieren, zu der er in diversen Kombos aktiv war. Heute ist er freier Solokünstler und arbeitet mit Produzenten wie Nuborn und Stevie (MBC Crew) zusammen, die für ihn die Takte ausarbeiten. Darüber hinaus musiziert er mit Künstlern wie Ustad Zakir Hussains Tablaschüler Timir Baran Roy aka T-Roy und dem Sänger, Pianisten und Gitarristen Robin.

Kristian Joshi
Kristian Joshi
Kristian Joshi ist Mitbegründer von theinder.net und zeichnet nach einigen Jahren Pause nun wieder für den visuellen Auftritt des Projektes verantwortlich. Nach langjähriger Tätigkeit in Design- und Werbeagenturen in Berlin und Hamburg ist er heute als freiberuflicher Art- und Kreativdirektor aktiv.

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